Mehr Gewerkschaft - weniger Ungleichheit
27. April 2018 | Patrick Schreiner
Starke Gewerkschaften und eine hohe Tarifbindung gehen mit einer geringeren sozialen Ungleichheit einher. Neu ist diese Erkenntnis nicht - dennoch ist es sinnvoll, immer wieder darauf hinzuweisen.
Lohnungleichheit
Zunächst ein Ländervergleich des OECD-Forschers Oliver Denk mit Daten rund um das Jahr 2010. Er zeigt: Je höher die Tarifbindung, also je mehr Beschäftigte von Tarifverträgen erfasst werden, desto niedriger ist der Anteil der Top-1-Prozent der Lohneinkommen an allen Lohneinkommen.
Quelle: Ronald Janssen (2016): ▸Collective Bargaining And Rising Inequalities: Do The OECD And IMF Get It?
Einkommensungleichheit
Florence Jaumotte und Carolina Osorio Buitron vom Internationalen Währungsfonds kommen für die Einkommensungleichheit ▸zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. Sie zeigen: Je geringer der Anteil an Gewerkschaftsmitgliedern unter den Beschäftigten eines Landes, desto größer ist der Einkommensanteil (also nicht nur der Arbeitseinkommen, sondern auch der Kapitaleinkommen), der auf die Top-10-Prozent entfällt. Sie schreiben:
Zwar ist die Kausalität schwer zu ermitteln, doch scheint der Rückgang des gewerkschaftlichen Organisationsgrads ein Schlüsselfaktor für den Anstieg der Einkommensanteile der Spitzeneinkommen zu sein.
Den gleichen Zusammenhang zeigt auch ein Blick auf die Entwicklung des Einkommensanteils der Top-10-Prozent und der Gewerkschaftsmitgliedschaft in den USA im Zeitverlauf, hier für die Jahre 1917 bis 2014:
Quelle: Real World Economics Review Blog (2018): ▸U.S. union membership and top 10% income share 1917-2014.
Der Anteil der Top-10-Prozent an allen Einkommen steigt mit sinkender Gewerkschaftsmitgliedschaft also an. Spiegelbildlich sinkt dann - wenig überraschend - der Anteil an allen Einkommen, der auf die mittleren 60 Prozent der Bevölkerung entfällt:
Quelle: Economic Policy Institute (2018): ▸How today’s unions help working people .
Gender Pay Gap
Dass ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad überdies mit einer geringeren Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen einhergeht, zeigen für den mittleren Lohneinkommensbereich ▸Ina Berninger und Tim Schröder auf Basis von Daten der Jahre 2001-2011.
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.