Rezension
Rezension: Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung
31. März 2015 | Patrick Schreiner
Das Buch von Werner Rügemer und Elmar Wigand beschäftigt sich mit Union Busting in Deutschland - mit der professionellen Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften. Es verdeutlicht einmal mehr, dass der vermeintliche Kompromiss zwischen Kapital und Arbeit längst aufgekündigt wurde.
Gewerkschaften und Betriebsräte sind den Neoliberalen ein Dorn im kapitalistischen Auge. Die kollektive Verteidigung der Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist ihnen ideologisch zuwider: Sie gilt ihnen als Kartellbildung und als Einschränkung der Verfügungsmacht der Kapitalisten über „ihr“ Betriebseigentum. Solche Positionierungen sind letztlich Ausdruck des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit, genauer: Ausdruck der Interessen der Kapitalseite. Sie sind damit zugleich eine Absage an jene Idee, durch die man spätestens ab 1945 in vielen westlichen Ländern diesen Widerspruch zu befrieden suchte: Die Idee nämlich, dass ein Kompromiss zwischen Kapital und Arbeit möglich sei. Bestandteil eines solchen Kompromisses war und ist es, die kollektive Interessenvertretung von Beschäftigten zu gewährleisten – durch handlungsfähige Gewerkschaften sowie durch Mitbestimmung auf Betriebs- und Unternehmensebene.
Hier soll nicht die Frage gestellt werden, in welchem Maße ein solcher Kompromiss tatsächlich möglich und aus Sicht der Beschäftigten wünschenswert ist. Diese Frage stellen auch Rügemer und Wigand nicht direkt. Sie widmen sich vielmehr dem seit etwa 15 Jahren stark zunehmenden Phänomen des „Union Busting“, also der professionellen Bekämpfung von Gewerkschaften und Betriebsräten seitens der Arbeitgeber. Die allerdings lässt sich durchaus als eine neoliberale Absage an die Idee eines Ausgleichs zwischen Kapital und Arbeit verstehen.
Die Rechte und Ansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geraten im Zeitalter des Neoliberalismus auf allen Ebenen zunehmend unter Druck. Einige wenige Beispiele seien genannt: Auf internationaler Ebene werden in Freihandelsabkommen die Grundlagen für Konkurrenz, Sozialabbau und Sozialdumping gelegt. Auf Ebene der Europäischen Union gelten Rechte des Kapitals (etwa die Dienstleistungsfreiheit) als höherrangig gegenüber den Rechten von Gewerkschaften. Auf nationaler Ebene werden Wohlfahrtsstaaten und soziale Mindestsicherungen ab- und umgebaut mit dem Ziel, Beschäftigung für Arbeitgeber billiger und flexibler zu machen. Und in genau diesem Kontext ist auch Union Busting zu sehen. Es ist das teils legale, teils illegale Bemühen seitens der Arbeitgeber, gewerkschaftliche Strukturen und eine Interessenvertretung der Beschäftigten auch auf Ebene der Unternehmen und der Betriebe zu zerschlagen. Ziel ist auch hier die Schwächung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
„Die Fertigmacher“ von Werner Rügemer und Elmar Wigand ist dort stark, wo es Ross und Reiter des Union Busting nennt. Das Buch ist hingegen eher schwach, wenn es darum geht, Union Busting in den eben genannten, breiteren politischen Kontext einzuordnen. Der Versuch, umfassendere politische Entwicklungen als Hintergrundfolie für professionelle Gewerkschaftsbekämpfung in Deutschland zu skizzieren, bleibt eher oberflächlich. Verbindungen zwischen bestimmten politischen Entscheidungen einerseits und Union Busting andererseits werden zwar suggeriert, aber letztlich nicht ausgeführt und erläutert. Dieser (kleinere) Teil des Buches wäre daher wohl verzichtbar gewesen.
Umso interessanter lesen sich hingegen jene zahlreichen Kapitel, die sich den Strategien und Akteuren des Union Busting in Deutschland widmen. Hier haben Rügemer und Wigand eine echte und wichtige Fleißarbeit geleistet. Sie nennen Namen und skizzieren legale wie auch illegale Vorgehensweisen der Gewerkschaftsbekämpfer. So beschreiben sie etwa, wie durch arbeitgebernahe „gelbe“ Gewerkschaften und Betriebsräte die betriebliche Mitbestimmung unterlaufen und die Rechte der Beschäftigten ausgehöhlt werden. Die „christlichen“ Gewerkschaften sowie Neugründungen wie die „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ seien hier beispielhaft genannt.
Während es solche „gelben“ Gewerkschaften schon seit Jahrzehnten gibt, ist professionelle Gewerkschaftsbekämpfung durch Wirtschaftskanzleien und PR-Agenturen eine jüngere Entwicklung. Namen von gewerkschaftsfeindlichen Juristen wie Helmut Naujoks, Volker Rieble oder Dirk Schreiner dürften nur den wenigsten Leserinnen und Lesern bekannt sein. (Der Autor dieser Rezension legt Wert darauf, zu betonen, dass er mit Dirk Schreiner nicht verwandt ist.) Rügemer und Wigand beschreiben deren Agieren sehr anschaulich und mit zahlreichen Beispielen. Diese Ausführungen ergänzen sie im letzten Teil des Buches durch neun „Konfliktporträts“. Hier skizzieren sie anhand von Beispielen die Bekämpfung von Gewerkschaften und/oder Betriebsräten durch neun kleinere und mittlere Unternehmen aus verschiedenen Branchen.
Hier wird deutlich, wie sehr Mobbing, Erpressung, illegale Überwachung und die Beugung geltenden Rechts zum Normalfall in vielen deutschen Betrieben und Unternehmen geworden sind. Gewerkschaftsbekämpfung ist dabei nicht nur einfach ein irrationales „Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand“ einiger irrer Unternehmenspatriarchen. Es ist vielmehr ein professionelles Beratungsgeschäft geworden, das den einen fette Honorare, Drittmittel und Lehrstühle beschert – und das den anderen ein betriebliches Durchregieren ohne Gewerkschaften und Betriebsräte ermöglicht.
Grundlage für „Die Fertigmacher“ bildete eine Studie für die Otto-Brenner-Stiftung, die die Autoren für die Buchveröffentlichung allerdings nochmals aktualisiert, ergänzt und überarbeitet haben. So wurden einzelne Kapitel, Kästchen und „Konfliktportraits“ zu bestimmten Firmen oder Personen hinzugefügt. Dass hier verschiedene Texte und Textsorten zusammengefügt wurden, ist dem Buch durchaus anzumerken. Dem Lesefluss ist dies einerseits eher abträglich. Andererseits ermöglicht es, die Lektüre auf jene Passagen und Kapitel zu konzentrieren, die tatsächlich interessant sind. Und das sind eben gerade jene, in denen Rügemer und Wigand die Akteure und Strategien des Union Busting darstellen.
„Die Fertigmacher“ zeigt das erschreckende Ausmaß, das professionelles Union Busting in Deutschland heute angenommen hat. Das Buch zeigt zugleich, dass die Kapitalseite die Idee eines Kompromisses zwischen Kapital und Arbeit aufgegeben hat. Der Klassenkampf ist längst nicht passé, sondern er findet jeden Tag in Betrieben und Unternehmen statt.
Bibliografische Angaben
Werner Rügemer, Elmar Wigand 2014: Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung. PapyRossa Verlag, Köln. ISBN: 9783894385552. 238 Seiten. 14,90 Euro.
Die Rezension erschien zuerst in kritisch-lesen.de Ausgabe 34 (2015). Wir danken für die Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.