Joachim Herrmann, "Taschengeld" für Flüchtlinge und Zumutungen für Steuerzahler
19. August 2015 | Patrick Schreiner
Wieder einmal versucht eine "christliche" Partei, die wohl nicht unbeträchtlichen ressentimentgeneigten Teile der eigenen Wählerschaft einzufangen. Ganz vorne an der Populismus-Front: Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Das geringe "Taschengeld" für Flüchtlinge von 143 Euro pro Monat hält er für eine "Zumutung für den Steuerzahler". Was aber, wenn man diese angebliche "Zumutung" echten Zumutungen für den Steuerzahler gegenüberstellt?
Der "Welt" sagte Herrmann:
Wir müssen die Höhe des Taschengelds kritisch überprüfen. Angesichts der weiter steigenden Asylbewerberzahlen gerät der Staat an die Grenzen der Belastbarkeit. Deshalb muss auch klar gesagt werden: Diese Zahlungen sind ein Anreiz für viele Menschen vom Balkan, nach Deutschland zu kommen und das Geld mit nach Hause zu nehmen. Deshalb sollte vor allem für Asylbewerber vom Balkan das Taschengeld von vornherein massiv zusammengestrichen werden. Deren Chance, hier zu bleiben, liegt unter einem Prozent. Die Zuwendungen für diese Gruppe sind eine Zumutung für die deutschen Steuerzahler.
So weit, so verlogen, denn im Vergleich zu echten Zumutungen für den Steuerzahler nehmen sich die Kosten für das Flüchtlings-"Taschengeld" geradezu bescheiden aus:
- Mit dem Geld, das für das (glücklicherweise gescheiterte) CSU-Lieblingsprojekt "Betreuungsgeld" pro Jahr vorgesehen war, kann man für 524.476 Flüchtlinge ein Jahr lang das "Taschengeld" finanzieren.
- Mit dem Geld, das dem Staat jährlich dank der von FDP, CSU und CDU eingeführten Mehrwertsteuer-Reduktion für Hotelübernachtungen durch die Lappen geht, Stichwort Klientelpolitik, kann man für 582.751 Flüchtlinge ein Jahr lang das "Taschengeld" finanzieren.
- Mit dem Geld, das Deutschland jährlich für Rüstung ausgibt, kann man für 25.757.576 Flüchtlinge ein Jahr lang das "Taschengeld" finanzieren.
- Mit dem Geld, das Deutschland in die Rettung deutscher Banken gesteckt hat, kann man sogar für 137.529.138 Flüchtlinge ein Jahr lang das "Taschengeld" finanzieren. Das sind weit mehr, als Deutschland überhaupt Einwohner hat.
Es ist wohl schon was dran an dem bekannten Witz:
Ein Banker, ein Bild-Leser und ein Flüchtling sitzen an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen zwölf Kekse. Der Banker nimmt sich elf Kekse und sagt zum Bild-Leser: "Pass auf, der Asylant will Deinen Keks!"
Nur dass in der Realität der Banker wohl Politiker und der Bild-Leser der von ihm umgarnte Wähler ist.
Übrigens: Wer an Fakten über Leistungen für Asylsuchende interessiert ist, werfe einen Blick auf eine entsprechende Zusammenstellung von Spiegel Online. Und wer noch mehr Fakten gegen Vorurteile sucht, dem sei ein Überblick von Pro Asyl empfohlen.
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.