Die Bundesagentur für Arbeit und die Leiharbeitsbranche: Zwei wie Pech und Schwefel
22. Oktober 2015 | Markus Krüsemann
Leiharbeit ist ein profitables Geschäftsmodell. Kommen Arbeitslose ins Spiel, wird es noch profitabler, denn die Bundesagentur für Arbeit subventioniert die Branche nach Kräften. Verlierer sind die Arbeitssuchenden.
Leiharbeitsunternehmen machen gute Geschäfte mit der Anheuerung und dem anschließenden Verleih von Arbeitskräften an Entleihunternehmen. Letztere zahlen den Verleihunternehmen einen Verrechnungssatz (quasi der Preis für den Einsatz der ausgeliehenen Arbeitskraft), der klar über dem Gehalt liegt, das der Leiharbeitnehmer bekommt. Je höher die Differenz, desto höher der Gewinn. Sollte den Verleihbetrieben eine Leiharbeitskraft tatsächlich mal verlustig gehen, weil sie eine Festanstellung beim Entleiher bekommen hat, so zahlt sich auch das aus, denn die Betriebe erhalten dafür in der Regel eine vertraglich vereinbarte Vermittlungsprovision.
Offenbar haben zahlreiche Unternehmen der Branche einen Weg gefunden, noch mehr an den Leiharbeiter/innen zu verdienen. Sie lassen sich von der Bundesagentur für Arbeit (BA) Arbeitslose vermitteln, für deren Einstellung sie Lohnkostenzuschüsse erhalten. Solche Zuschüsse werden dann gewährt, wenn Unternehmen schwer vermittelbare Arbeitslose oder Jobsuchende einstellen. Als Vermittlungshemmnisse gelten in der Regel Langzeitarbeitslosigkeit, geringe Qualifikation oder hohes Alter. Lohnkostenzuschüsse sind also ein Förderinstrument, um vermeintlich weniger produktive Menschen langfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die Branche der Arbeitnehmerüberlassung ist aber gerade dafür völlig ungeeignet: Seit Jahren schon ist etwa die Hälfte aller Leiharbeiter/innen gerade mal drei Monate bei einem Überlassungsunternehmen beschäftigt. Leiharbeit bedeutet für sie ein Pendeln zwischen Arbeitslosigkeit und vergleichsweise schlechter entlohnten Jobs. Wer Arbeitslose dauerhaft in den regulären Arbeitsmarkt integrieren will, sollte eigentlich einen großen Bogen um Leiharbeitsunternehmen machen. Bereits 2010 hatte eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergeben, dass gerade mal sieben Prozent der vormals arbeitslosen Leiharbeiter/innen im Zweijahreszeitraum nach der Leiharbeit der Wechsel in eine dauerhafte reguläre Beschäftigung gelungen war.
Ungerechtfertigte Subventionierung der Leiharbeitsbranche
Da ist es schon erstaunlich, dass Verleihbetriebe überhaupt Lohnkostenzuschüsse erhalten. Noch erstaunlicher ist allerdings, in welchem Ausmaß dies geschieht. Einer Meldung der Saarbrücker Zeitung zufolge entfielen 2014 fast 20 Prozent aller von der BA gewährten Lohnkostenzuschüsse auf Leiharbeitsfirmen, obwohl diese nur etwa drei Prozent der Arbeitskräfte beschäftigen.
Ist es Zufall, dass die Verleihbetriebe überdurchschnittlich von dem Förderinstrument profitieren? Der Verdacht steht im Raum, dass hier eine ganze Branche zu Unrecht subventioniert wird. Immerhin ist die Arbeitnehmerüberlassung für die Bundesagentur für Arbeit (BA) ein höchst willkommener Abnehmer: Seit Mitte 2010 ist etwa jede Dritte bei der BA gemeldete offene Stelle ein Angebot einer Leiharbeitsfirma. Dies schlug sich in den Folgejahren auch in der Vermittlungspraxis der BA nieder, die gerne die Gelegenheit ergriff, um Arbeitslose in Leiharbeitsjobs wegzuvermitteln: Fast jeder dritte Arbeitslose, den die Bundesagentur für Arbeit in den ersten Arbeitsmarkt entlässt, landet in der Leiharbeitsbranche, meldete beispielsweise Der Tagesspiegel online im Februar 2015. Die Qualität der Jobs und das Wohl der Arbeitsuchenden stehen hier offensichtlich weniger im Vordergrund als die hausinterne Vermittlungsquote, ist doch die Anzahl erfolgreich besetzter Stellen eine zentrale Steuerungskennzahl in den Agenturen. „Hauptsache, die Statistik stimmt“, betitelte taz.de diese Praxis bereits 2013.
Wie eng die Kooperation zwischen der BA und den Leiharbeitsunternehmen inzwischen gediehen ist, macht die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Februar 2015 deutlich. Demnach hat die BA seit dem Jahr 2007 nicht nur unzählige regionale und überregionale Kooperationsvereinbarungen mit Leiharbeitsunternehmen geschlossen. Sie führt auch regelmäßig Leiharbeitsbörsen durch, in denen Unternehmen aus der Leiharbeitsbranche ihre Angebote präsentieren und direkt vor Ort Kontakt zu den Bewerbern aufnehmen können. Auch diese kostenlose Schützenhilfe kann als eine zumindest indirekte Subventionierung der Branche durch die BA angesehen werden.
Subventionierungen zu Lasten der Arbeitssuchenden beenden
Leiharbeit ist erwiesenermaßen ungeeignet, um Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Daher muss die zu diesem Zweck gewährte finanzielle Förderung der Branche ebenso beendet werden wie die enge Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Leiharbeitsunternehmen. Sie ist ein typisches Beispiel für eine Kooperation zu Lasten Dritter, denn der Nutzen den beide Seiten daraus ziehen, geht auf Kosten der Arbeitssuchenden. Sie werden zwar als Kunden tituliert, faktisch aber als Manövriermasse missbraucht.
Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Göttinger Institut für Regionalforschung. Unter www.miese-jobs.de betreibt er ein Informationsportal zu atypischen und prekären Beschäftigungsformen.