Flop mit Ansage: Etwas mehr Konkretisierung bei Werkverträgen, der Rest ist Kosmetik
18. November 2015 | Markus Krüsemann
Vorgestern hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles endlich ihren Referentenentwurf zur stärkeren Regulierung von Werkverträgen (und der Leiharbeit) vorgelegt. Wie schon im Vorfeld vermutet, hält sich der Entwurf penibel an die im Koalitionsvertrag niedergelegten Absprachen. Was ist davon zu halten? Dazu eine erste Einschätzung.
Neben der Leiharbeit hat sich die Werkvertragsarbeit in den letzen Jahren zunehmend als weiteres Modell des Lohndumpings und der Ausbeutung von Beschäftigten etabliert. Bei einem Werkvertrag handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung, in der sich ein Auftragnehmer zur Herstellung eines individuellen Werks verpflichtet, für das ein Auftraggeber eine Vergütung, den Werklohn zahlt.
Abgesehen von den Solo-Selbstständigen sind die Auftragnehmer meist Fremdfirmen (Subunternehmen), die von Unternehmen beauftragt werden, bestimmte Aufgaben und Dienste für sie zu übernehmen. Die bei den Subunternehmen Beschäftigten werden in der Regel viel geringer entlohnt und arbeiten zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen - oft sogar Seite an Seite mit den Stammbeschäftigten.
Nachdem Werkvertragsarbeit durch Mißbrauchsfälle und skandalöse Auswüchse wie etwa in der niedersächsischen Fleischindustrie oder in der Werftindustrie immer stärker in die Kritik geraten war, hatte sich die Große Koalition noch vor Beginn ihrer Amtszeit im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die gesetzlichen Regularien zum Einsatz von Werkverträgen zu überarbeiten. Wie der jetzt vorliegende Referentenentwurf zeigt, hat das Bundesarbeitsministerium die Vorgaben leider nur eins zu eins aufgegriffen.
Das sah der Koalitionsvertrag vor:
Der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 hatte die Marschrichtung bereits klar vorgegeben. „Missbrauch von Werksvertragsgestaltungen verhindern“ lautete die dort fixierte Zielsetzung. Das weckt Hoffnungen, die gleich im Folgetext auf ein harmloses Maß zurückgestutzt werden:
„Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren (…), die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sicherzustellen, zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren.
Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.“
Wie man liest, zielt die Reformabsicht fast ausschließlich auf eine klarere Abgrenzung legaler von illegalen Werkvertragskonstruktionen. Offensichtlich verbindet sich mit dem Begriff „Missbrauch bekämpfen“ kein politischer Gestaltungsanspruch, die Nutzung von Werkverträgen in engere Bahnen zu lenken und insbesondere die um sich greifende systematische Auslagerung auch von zentralen Betriebsfunktionen bzw. Kernbereichen der betrieblichen Wertschöpfung zu unterbinden.
Klarere Abgrenzung von Werk- und Arbeitsverträgen
Der Referentenentwurf greift nun exakt die Punkte des Koalitionsvertrags und nur diese Punkte auf. Im Kern will die Gesetzesreform zur Werkvertragsarbeit die Grauzone zwischen Werkverträgen und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung auflösen. Dies soll gelingen indem die von der Rechtsprechung bereits entwickelte Abgrenzung abhängiger von selbstständiger Tätigkeit in Form eines Kriterienkatalogs dort in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) Eingang findet, wo die Rechtsgrundlagen für Werkverträge geregelt sind (§§ 631 ff.).
Folgende Kriterien, besser gesagt Indizien, sollen auf einen illegalen Werkvertrag schließen lassen:
- Ein Werkvertragsbeschäftigter ist nicht frei darin, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen.
- Er erbringt die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen und nutzt dazu regelmäßig Mittel eines anderen.
- Er erbringt die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind.
- Er ist ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig. Er unterhält keine eigene betriebliche Organisation, um die geschuldete Leistung zu erbringen.
- Er erbringt Leistungen, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind.
- Er leistet für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr.
Das Vorliegen eines einzelnen Anhaltspunktes reicht aber nicht aus. Erst aus einer "Gesamtbetrachtung" dieser Kriterien soll sich ergeben, ob jemand in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Dann, und das war auch vorher schon so, handelt es sich nicht um ein Werk, sondern um eine Arbeitsleistung, der Werkvertragler geht faktisch also einer abhängigen Beschäftigung nach.
Ein Schlupfloch wird geschlossen
Sieht man von Solo-Selbstständigen einmal ab, dann handelt es sich hier genauer gesagt um eine unerlaubte (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung. Dies hat eigentlich zur Konsequenz, dass der (Schein-) Werkvertrag nichtig ist, der Werkvertragler ein unerlaubt überlassener Arbeitnehmer ist und deshalb zum Arbeitnehmer des Entleihunternehmens wird. Vor solchen Konsequenzen schützte bisher allerdings ein Schlupfloch: Sollte der Scheinwerkunternehmer oder Scheindienstleister über eine Überlassungserlaubnis verfügen, dann tritt die Rechtsfolge eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher nicht ein. "Die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fungiert demnach als 'Reservefallschirm' bei verdeckter Überlassung." (Sell 2013:7).
Es zählt zu den wenigen positiven Aspekten des Gesetzentwurfs, dass dieses Schlupfloch nun geschlossen werden soll. Ein vermeintlicher Werkvertragsunternehmer soll sich zukünftig nicht mehr auf eine bestehende Verleiherlaubnis berufen können, sondern wird genau so behandelt wie jemand, der von vorneherein unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung betrieben hat.
Der Rest ist Kosmektik
Unternehmen, die die obigen Kriterien beachten und darauf bedacht sind, die Grenzen zur Arbeitnehmerüberlassung nicht zu überschreiten, können natürlich weiterhin mittels Werkverträgen Tarifflucht und Lohndumping betreiben. Sie können ungehindert ihre Personalkosten drücken, Stammbeschäftigung ausdünnen, auf prekäre Beschäftigung setzen und Mitbestimmungsregulierungen sowie tariflich geregelte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen unterlaufen.
Sie können dies in Zukunft wohl nicht mehr so heimlich tun, denn geplant ist, dass Betriebsräte ein Informationsrecht beim Einsatz von Fremdpersonal auf Grundlage von Werkverträgen bekommen sollen. Wirklich interessant wäre es, wenn ihnen Mitbestimmungsrechte gewährt würden. Das aber sah schon der Koalitionsvertrag nicht vor, und Arbeitsministerin Nahles hatte auch nie die Absicht, Mitbestimmungsrechte einzuführen. Schon im Juli hatte sie gegenüber dem Handelsblatt erklärt, Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte seien nicht verabredet und würden ich auch nicht vorgelegt.
Überraschend ist der zahme Entwurf eigentlich nicht. Andrea Nahles hatte schon im Vorfeld klar gemacht, dass sie weder die Leiharbeit noch die Werkvertragsarbeit grundsätzlich in Frage stellt, sondern nur deren Missbräuche im Sinne des Koalitionsvertrages eindämmen will. Faktisch wird ihr wohl auch gar nichts anderes übrig geblieben sein, denn die Bereitschaft der CDU/CSU, nach der "Rente mit 63" und dem Mindestlohn ein weiteres sozialdemokratisches Arbeitsmarktprojekt mitzutragen, ist nicht vorhanden.
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Quellen:
Bundesregierung (2013): Deutschlands Zukunft gestalten: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode.
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, Bearbeitungsstand vom 16.11.2015.
Sell, S. (2013): Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze, Remagener Beiträge zur Sozialpolitik, Nr. 13-2013, Remagen.
„Leiharbeit: Nahles will Gesetzentwurf im Herbst vorlegen“. Handelsblatt vom 14.07.2014
Zum Weiterlesen:
Hertwig, M./ Kirsch, J./ Wirth, C. (2015): Werkverträge im Betrieb: Eine empirische Untersuchung, Bd. 300 der Reihe Study der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf.
Schulten, J./ Boewe, J. (2015): Problemfall Werkvertrag: Das System der verlängerten Werkbank. In: Gegenblende, Nr. 33, Artikel vom 01.07.2015.
Brors, C./ Schüren, P. (2014): Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern. Arbeitsrechtliches Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW (03/2014).
Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Göttinger Institut für Regionalforschung. Unter www.miese-jobs.de betreibt er ein Informationsportal zu atypischen und prekären Beschäftigungsformen.