Zufriedenheit beim Reformkompromiss zur Leiharbeit? Nicht bei den Betroffenen!
13. Mai 2016 | Markus Krüsemann
Angesichts des diese Woche erzielten Reformkompromisses bei der Leiharbeit wurde in fast allen Lagern weitreichende Zufriedenheit zur Schau gestellt. Dabei wissen alle, dass er eine Mogelpackung ist. Den Betroffenen bietet er nichts, denn im Hinblick auf eine Verbesserung der Lage von Leiharbeitsbeschäftigten bleibt der Gesetzentwurf wirkungslos. Die sowieso schon hohe Unzufriedenheit bei Leihkräften wird andauern.
Die Ministerin und die Regierungskoalition sowieso, Arbeitgeberverbände ebenfalls, und mit leichten Einschränkungen auch die meisten Gewerkschaften, sie alle zeigen sich in verdächtiger Einmütigkeit zufrieden mit dem jetzt erreichten Kompromiss zur Neuregelung der Leiharbeit, einer nochmaligen Entschärfung eines Gesetzentwurfs, der schon nach seiner ersten Überarbeitung im Februar als gescheitert gelten konnte.
Soviel steht nun wohl endgültig fest: Für die Beschäftigten wird sich nichts ändern. Die einen bleiben als Betriebsspringer weiterhin beliebig einsetzbare Verschiebemasse, die von Equal Pay nach frühestens neun Monaten sowieso nichts haben wird, weil die Einsatzzeiten viel zu kurz sind. Für das andere Ausbeutungsmodell, Leiharbeiter dauerhaft zu Billiglöhnen neben der Stammbelegschaft arbeiten zu lassen, wird es den Arbeitgebern etwas unbequemer gemacht. Das Schlupfloch, das die Reform anbietet, dürfte in den meisten Fällen aber groß genug sein, damit alles beim alten bleiben kann. Willige Betriebsräte, die einer Dauerentleihe zustimmen, sollten sich finden lassen.
Die knapp eine Million Leiharbeitsbeschäftigten werden es frustriert, in einigen Fällen sicher auch resigniert zur Kenntnis nehmen, dass sie weiterhin schlechter entlohnt werden, nicht die gleichen Arbeitnehmerrechte besitzen und auch in Zukunft mit hoher Jobunsicherheit und schlechter sozialer Absicherung leben müssen. Dass sich hier nichts ändern wird, das dürfte der Jobzufriedenheit wohl kaum zuträglich sein. Die ist bei Leihkräften ja schon seit Jahren deutlich geringer als bei regulär Beschäftigten, ein Umstand den niemand zu stören scheint.
Leiharbeit macht unzufrieden
Schon 2014 hatte ausgerechnet die Studie eines Leiharbeitsunternehmens ergeben, dass jede/r zweite Leiharbeitsbeschäftigte/r mit dem Job unzufrieden ist. Bei dem Befund handelt es sich nicht um einen zufälligen Ausreißer. Auch die Arbeitsforschung hat in mehreren Studien bereits eine durchgängig geringere Arbeitszufriedenheit von Leiharbeitern im Vergleich zu regulär Beschäftigten nachweisen können.
Zunächst, so könnte man annehmen, dürfte ein Hauptgrund für die Unzufriedenheit von Leiharbeiter/innen in den unsicheren Beschäftigungsperspektiven liegen. Unbefristet Beschäftigte aller Branchen äußern sich in Befragungen jedenfalls regelmäßig zufriedener, als ihre vergleichbaren Kolleg/innen mit zeitlich befristeten Arbeitsverträgen. Umgekehrt leiden natürlich sowohl Leiharbeitende als auch anderweit befristet Beschäftigte unter der aus einem Zeitvertrag resultierenden Beschäftigungsunsicherheit. Das allein reicht als Erklärung aber nicht aus. Wie der Freiburger Ökonom René Petilliot kürzlich in einer empirischen Analyse (Petilliot 2016) feststellte, haben selbst Leiharbeiter/innen mit einem unbefristeten Anstellungsvertrag eine klar messbare geringere Arbeitszufriedenheit als regulär in Festanstellung Beschäftigte.
Strukturelle Nachteile frustrieren
Die Vertragsart spielt für die Unzufriedenheit von Leiharbeitenden demnach nur eine von vielen Rollen. Gegenüber regulär Beschäftigten sind Leiharbeitnehmer/innen vielfältig und strukturell benachteiligt: Neben der stets drohenden Arbeitslosigkeit sorgen auch die schlechtere Bezahlung, meist kurze Einsatzzeiten und ständig wechselnde Arbeitsorte für Frust. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Arbeit an sich selten attraktiv ist. So sind Leiharbeitsbeschäftigte im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern häufiger harter körperlicher Arbeit und ungünstigen Umgebungsbedingungen ausgesetzt. Auch ihr Handlungsspielraum am Arbeitsplatz ist deutlich eingeschränkter als jener der übrigen Erwerbstätigen.
Einer Analyse von drei Wirtschaftswissenschaftlern der RWTH Aachen aus dem Jahr 2014 zufolge kann man "davon ausgehen, dass sich die Beschäftigungsform Zeitarbeit zusätzlich auch noch negativ auf den privaten Lebensbereich der Erwerbstätigen auswirkt" (Grund u.a. 2014:16). Eine noch geringere Lebenszufriedenheit war laut Studie übrigens nur bei der Gruppe der Arbeitslosen messbar.
Arbeitsmarktpolitischer Regulierungswille ist mitentscheidend
Die politischen Akteure haben es aber durchaus selbst in der Hand, etwas gegen die Arbeits- und Lebensunzufriedenheit von Leiharbeitsbeschäftigten zu tun, denn der Grad ihrer Unzufriedenheit variiert auch mit der Qualität von arbeitsmarktpolitischen Regulierungen. Eine Studie von Wissenschaftlerinnen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der finnischen Jyväskylä University School of Business and Economics hatte 2015 ergeben, dass die Arbeitszufriedenheit von Leiharbeitern nach der rot-grünen Arbeitsmarktreform 2003 (Hartz I) erheblich gesunken ist (Busk u.a. 2015). Die damalige Deregulierung der Leiharbeit hat nachweislich Lohnsenkungen und gesteigerte Arbeitsplatzunsicherheit hervorgerufen, zwei Aspekte, die nach Aussage der Forscherinnen zumindest teilweise für die gestiegene Unzufriedenheit unter Leiharbeitern verantwortlich sind.
Diese Befunde hätten sich die Bremser und Verhinderer in der Großen Koalition ruhig mal durch den Kopf gehen lassen sollen, bevor sie sich daran gemacht haben, einen von Beginn an harmlosen Gesetzentwurf völlig zu zerschießen. So jedenfalls stellt die Leiharbeitsreform anscheinend viele zufrieden, nur die Adressaten nicht. Da bleibt am Ende nur die Frage, für wen wird hier eigentlich (Arbeitsmarkt-) Politik gemacht?
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Literatur:
Buddelmeyer, H./ McVicar, D./ Wooden, M. (2013): Non-Standard ‘Contingent’ Employment and Job Satisfaction: A Panel Data Analysis. IZA Discussion Paper, No. 7590, Bonn (Aug.2013).
Busk, H./ Jahn, E./ Singer, C. (2015): Do Changes in Regulation Affect Temporary Agency Workers’ Job Satisfaction?, IZA Discussion Paper, No. 8803, Jan. 2015.
Grund, C./ Martin, J./ Minten, A. (2014): Beschäftigungsstruktur und Zufriedenheit von Zeitarbeitnehmern in Deutschland. SOEPpapers, No. 677, Berlin.
Pettiliot, R. (2016): How Important is the Type of Working Contract for Job Satisfaction of Agency Workers? SOEPpapers, No. 832, Berlin.
Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Göttinger Institut für Regionalforschung. Unter www.miese-jobs.de betreibt er ein Informationsportal zu atypischen und prekären Beschäftigungsformen.