Von stinkenden Toiletten und bröckelnden Decken: Der Investitionsbedarf an unseren Schulen
28. Juni 2018 | Kai Eicker-Wolf
Um die Schulgebäude in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Viel zu lange wurde viel zu wenig investiert - mit den Folgen dessen werden wir heute konfrontiert. Und Besserung ist nicht in Sicht.
In den skandinavischen Ländern gilt der Schulraum als »dritter Pädagoge« – neben den Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Lehrenden. Schulen und Klassenzimmer sollen flexibel nutzbar und individuell gestaltet sein – ein angenehmer Raum, so die Erkenntnis in den nordischen Staaten, wirkt positiv auf das Lernklima und die Konzentration.
Gemessen an dieser Einsicht in die Bedeutung der Schulinfrastruktur ist der Zustand vieler Schulen in Deutschland mehr als ernüchternd. Die allermeisten sind entweder alte oder rein funktionale Gebäude. Hinzu kommt, dass immer mehr Schulgebäude in einem maroden und baufälligen Zustand sind. Die Benutzung von Toiletten ist oft eine Zumutung, und der Putz bröckelt buchstäblich von der Decke.
Die Entwicklung der Schulbauinvestitionen in Deutschland
Schulen sind ein Teil der staatlichen Infrastruktur – hierzu zählen alle dauerhaften Wirtschaftsgüter wie Straßen, Schulen, Rathäuser, Feuerwehrautos usw., die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden. Ausgaben für Erhalt und Erweiterung der staatlichen Infrastruktur werden als staatliche Investitionen bezeichnet. Die Zuständigkeit für die Schulgebäude liegt in Deutschland auf der kommunalen Gebietskörperschaftsebene – das heißt insbesondere bei Landkreisen und kreisfreien Städte.
In den vergangenen gut vier Jahrzehnten ist ein Rückgang der staatlichen Investitionen zu verzeichnen, und die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand in Deutschland fällt im internationalen Vergleich in der jüngeren Vergangenheit relativ schwach aus. Besonders stark rückläufig waren dabei die Investitionen auf der kommunalen Ebene (Eicker-Wolf/Truger 2017a: 178 ff.). Ursächlich verantwortlich hierfür sind vor allem Konsolidierungsmaßnahmen, die wiederum eine viel zu geringe Finanzausstattung der Kommunen zum Hintergrund haben.
Aufgrund der geschilderten Entwicklung hat sich in vielen Bereichen der staatlichen Infrastruktur ein erheblicher Investitionsstau herausgebildet – dies gilt insbesondere für die Ebene der Gemeinden, Städte und Landkreise. Nach dem aktuellen Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW 2018) beläuft sich der gesamte ▸Investitionsrückstand auf der kommunalen Ebene auf fast 160 Milliarden Euro. Am größten ist der Investitionsstau gemäß dieser repräsentativen Umfrage im Bereich Schule (inklusive Erwachsenenbildung) mit fast 50 Milliarden Euro.
Die Entwicklung der Schulbauinvestitionen kann für die Flächenländer in Deutschland für die Zeit seit 1998 nachvollzogen werden. Nominal – das heißt in laufenden Preisen – schwanken die Bauinvestitionen in der Zeit von 1998 bis 2008 um einen Wert von drei Milliarden Euro, um dann über 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf etwa 4,5 Milliarden Euro 2010 zu steigen; auch im Jahr 2011 wurden immerhin noch vier Milliarden Euro in die Schulen investiert. Dieser Anstieg hat seine Ursache in den Konjunkturfördermitteln, die aufgrund der internationalen Finanz- und Weltwirtschaftskrise verausgabt wurden. Nach 2012 sind dann sogar weniger als drei Milliarden Euro jährlich in die Schulinfrastruktur geflossen, und erst 2016 werden dann wieder 3 Milliarden Euro erreicht. Im vergangenen Jahr ist dann ein weiterer moderater Anstieg auf gut 3,3 Milliarden Euro zu verzeichnen.
In der geschilderten nominalen Entwicklung ist aber nicht berücksichtigt, dass im Baubereich wie auch in anderen Wirtschaftsbereichen Preissteigerungen zu verzeichnen sind. Werden diese berücksichtigt und reale – das heißt preisbereinigte – Werte berechnet, dann ist seit 1998 ein deutlicher Abwärtstrend erkennbar. Im Jahr 2017 liegt das Volumen der realen Investitionen im Bereich der Schulen um ein Viertel und dem Wert des Jahres 1998 – und um gut 14 Prozent unter dem Durchschnittswert der letzten 20 Jahre.
Flächenländer, Kernhaushalte. 1998-2015: Jahresrechnungsergebnisse; 2016 und 2017: Kassenstatistik; deflationiert mit dem Preisindex für Nichtwohnungsgebäude (2010 = 100).
Investitionsprogramm des Bundes zu klein
Aufgrund des hohen Investitionsstaus auf der kommunalen Ebene hat der Bund seit 2015 gleich zwei Kommunalinvestitionsförderprogramme im Umfang von bundesweit je 3,5 Mrd. Euro beschlossen. Ein Teil des ersten Investitionsprogramms kam dem Schulbereich zu Gute, während das zweite Programm – verabschiedet im Sommer 2017 –ausschließlich finanzschwachen Kommunen zur Sanierung ihrer Schulen zufließt. Angesichts des bestehenden Investitionsstaus ist dies ersichtlich zu wenig Geld.
Bedenklich ist zudem, dass bei den kommunalen Investitionen trotz der Investitionsfördermaßnahmen bisher kaum eine Belebung auszumachen ist (vgl. dazu Eicker-Wolf/Truger 2018: 9 ff.). Ein Grund dafür scheinen Engpässe im personellen Bereich sein: So ist nach Angaben von Gornig/Michelsen (2017) in den 20 Jahren von 1991-2010 deutschlandweit die Zahl der mit Baufragen befassten Personen im Öffentlichen Dienst der Kommunen um rund 35 Prozent gesunken, und auch im darauf folgenden Zeitraum bis 2015 ist die entsprechende Beschäftigtenzahl noch einmal um annähernd 10 Prozent zurückgegangen. Hinzu kommt die hohe Auslastung der Bauwirtschaft, die sich aktuell an den Grenzen ihrer Produktionskapazitäten befindet.
Um das beschriebene Problem zu lösen, ist eine deutliche und auf Dauer angelegte finanzielle Besserstellung der Kommunen erforderlich – auch, um das für den Baubereich zuständige Personal auf der kommunalen Ebene angemessen zu erhöhen. Kurzfristig angelegte und viel zu gering dimensionierte Investitionsfördermaßnahmen sind jedenfalls nicht geeignet, den bestehenden Investitionsstau aufzulösen. Erforderlich ist vielmehr eine Steuerpolitik, um die Kommunen und die öffentliche Hand insgesamt angemessen finanziell auszustatten. Eine solche Politik sollte die in den vergangenen Jahren auszumachende zunehmende Ungleichheit der Verteilung in Deutschland berücksichtigen (vgl. Eicker-Wolf/Truger 2017b) und insbesondere große Vermögen, Unternehmensgewinne sowie generell hohe Einkommen stärker besteuern.
Literatur
- Eicker-Wolf, Kai/Truger, Achim (2018): Wie notwendig sind kommunale Investitionsprogramme in Hessen?, Finanzpolitisches Arbeitspapier der GEW Hessen, Frankfurt.
- Eicker-Wolf, Kai/Truger, Achim (2017a): Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland: Der Beitrag der Finanz- und Steuerpolitik, in: Eicker-Wolf, Kai/Truger, Achim: Ungleichheit in Deutschland – ein »gehyptes Problem«?, Marburg.
- Eicker-Wolf, Kai/Truger, Achim (2017b): Ungleichheit in Deutschland – ein »gehyptes Problem«?, Marburg.
- Gornig, Martin/Michelsen, Claus (2017): Kommunale Investitionsschwäche: Engpässe bei Planungs- und Baukapazitäten bremsen Städte und Gemeinden aus, in: DIW Wochenbericht 11/2017.
- KfW-Research (2018): KfW-Kommunalpanel 2018, Frankfurt am Main.
Kai Eicker-Wolf ist Wirtschaftswissenschaftler und Gewerkschaftssekretär.