Alexander Häusler: "Die AfD kann rechts von CDU/CSU und FDP eingeordnet werden"
15. Mai 2014 | Franziska Schröter
Ein Interview mit Alexander Häusler über die Partei "Alternative für Deutschland" vor den Europawahlen. Häusler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Rechtsextremimus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf.
Ist die AfD als rechts oder gar rechtspopulistisch einzuordnen?
Alexander Häusler: Die AfD kann als eine rechts von der CDU/CSU und der FDP stehende Partei eingeordnet werden. Sie ist inhaltlich geprägt von einer neoliberalen, einer nationalkonservativen und einer rechtspopulistischen Stoßrichtung. In Verlautbarungen von AfD-Mitgliedern, zum Beispiel auf der „Patriotischen Plattform“, sind Anfeindungen gegenüber der multikulturellen Verfasstheit unserer Gesellschaft zu finden. Im Landesprogramm der AfD in Sachsen werden Forderungen nach einer Erhöhung für deutschsprachige Titel in Rundfunkanstalten sowie nach Volksabstimmungen über Moscheebauten mit Minaretten erhoben. So etwas gehörte bislang zum Forderungskatalog rechter Splitterparteien. Ein auf der Internetseite der AfD präsentiertes „AfD-Manifest“ weist deutlich populistischen Jargon auf: Darin beschreibt sich die AfD als Opfer einer Verfolgung von „Claudia Roth, der Antifa und den Mainstreammedien.“ Diese pauschalen Anprangerungen der Medien sowie der sogenannten „Altparteien“ und der angeblich vorherrschenden „linken politischen Korrektheit“ sind inhaltlich deckungsgleich mit dem Vokabular, das wir von VertreterInnen rechtspopulistischer Parteien gewohnt sind. Zudem finden sich bei AfD-VertreterInnen wiederkehrend positive Bezugnahmen auf die Thesen des Erfolgsbuchautors Thilo Sarrazin, so etwa bei dem AfD-Kandidaten
zur Europawahl, Hans-Olaf Henkel.
Wie sind die Positionen der AfD bezüglich der aktuellen Debatte zur „Armutszuwanderung“ einzuordnen?
Alexander Häusler: In AfD-Parolen wie „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ werden Ressentiments geschürt, und suggeriert, dass Deutschland als realer Gewinner der Wirtschaftskrise in Europa angeblich nur deren „Zahlmeister“ sei. Im Kontext des Zuzugs aufgrund des Freihandelsabkommens mit Bulgarien und Rumänien wurden von der AfD ähnlich klingende Aussagen verbreitet. Dies kann durchaus als Wohlstandschauvinismus bezeichnet werden. Einseitige und sachlich falsche Pauschalisierungen in Bezug auf eine sogenannte Armutszuwanderung mischen sich dort mit diskriminierenden Zuschreibungen, wie etwa der Begrifflichkeit vom „sozialen Bodensatz“. Solche Abwertungen paaren sich bei der AfD mit einem problematischen Verhältnis zur Staatszugehörigkeit. So bekundete beispielsweise der AfD-Sprecher Bernd Lucke auf einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung seine Ablehnung eines „Vielvölkerstaates“. Hier stellt sich die Frage: Wie steht die AfD zu der multikulturellen Verfasstheit unserer europäischen Einwanderungsgesellschaften? Sollen Zugewanderte etwa nicht mehr zur deutschen Gesellschaft gehören?
Wie schätzen Sie das Potenzial der AfD bei den anstehenden Europawahlen ein?
Alexander Häusler: Angesichts des Wegfalls der Drei-Prozent-Hürde ist der Einzug der AfD ins Europaparlament so gut wie sicher. Die Frage ist, mit wem die AfD dann politisch kooperieren will. Einerseits sind Gemeinsamkeiten mit den britischen Konservativen betont worden. Anderseits hat etwa die Junge Alternative NRW, die Jugendorganisation der AfD, den Parteiführer der rechtspopulistischen UKIP, Nigel Farage, zur Diskussion eingeladen. Zudem steht zur Frage, wie sich einzelne AfD-KandidatInnen nach einem möglichen Einzug ins EU-Parlament dort verhalten werden, die dieses Parlament infrage stellen: So bekundete etwa die AfD-Kandidatin Beatrix von Storch, Demokratie funktioniere nur national und das EU-Parlament sei eigentlich kein richtiges Parlament.
Welche Parteien müssen Ihrer Meinung nach am ehesten fürchten, WählerInnen an die AfD zu verlieren?
Alexander Häusler: Die Auswertungen der Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl zeigen, dass die AfD sowohl von WechselwählerInnen von der CDU, der FDP wie auch in hohem Maße von der Linken Stimmen erhalten hat. Hinzu kam auch ein hoher Anteil vorheriger Nichtwähler. Auf der anderen Seite haben VertreterInnen rechter Splitterparteien wie etwa der Partei Die Freiheit bekundet, ihre eigenen Aktivitäten einzustellen, da man seine Positionen zu 90 Prozent bei der AfD aufgehoben sehe.
In den Medien wird die AfD gern als „Professorenpartei“ eingestuft. Trifft diese Einschätzung zu?
Alexander Häusler: Sicher wird das öffentliche Erscheinungsbild der AfD stark geprägt von deren Sprecher Lucke, der zugleich eine Professur für Volkswirtschaft in Hamburg innehat. Hinzu kommen andere Professoren im AfD-Vorstand wie etwa Joachim Starbatty, die schon vorher in einer andern „Professorenpartei“ aktiv gewesen sind, dem Bund Freier Bürger. Dies war eine rechtspopulistische Partei, die aus einer ähnlichen Motivationslage hinsichtlich der Euro-Einführung entstanden ist wie die heutige AfD. Allerdings besteht die AfD nicht nur aus Akademikerkreisen, sondern weist an ihrer Basis und in ihrer Postenbesetzung wesentlich breitere Berufszugehörigkeiten auf. Bei den Mitgliedern aus akademischen Kreisen dominieren einerseits neoliberale und gewerkschaftsfeindliche Positionen und anderseits nationalkonservative Abwehrhaltungen gegenüber pluralisierten Lebenswelten und supranationalen Institutionen in Europa. Allerdings kann die AfD nur erfolgreich sein, wenn sie weiterhin auch Wählermilieus aus allen Schichten anspricht. Dies wurde bislang mit wohlstandschauvinistischen Abgrenzungsparolen versucht, so etwa mit der Parole: „Keine Einwanderung in unsere Sozialsysteme“. Es steht zu befürchten, dass diese politische Ausrichtung bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg fortgesetzt wird.
Dieser Text erschien zuerst in einem Flugblatt "Vision Europa" der Friedrich-Ebert-Stiftung Niedersachsen. Wir danken für die Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.
Franziska Schröter ist Referentin im Landesbüro Niedersachsen der Friedrich-Ebert-Stiftung.