Dokumentation
AöW-Stellungnahme zum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan
8. Juni 2018 | Redaktion
Wieder einmal will die Europäische Union ein Freihandelsabkommen schließen, und wieder einmal droht die öffentliche Daseinsvorsorge unter Privatisierungs- und Liberalisierungsdruck zu geraten. Wir dokumentieren eine Stellungnahme der Allianz der Öffentlichen Wasserwirtschaft zum geplanten EU-Japan-Abkommen JEFTA.
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AöW-Stellungnahme zum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan
Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW) nimmt hiermit als Interessenvertretung der öffentlichen Wasserwirtschaft in Deutschland zum aktuell verhandelten Abkommen zwischen der EU und Japan Stellung und möchte auf die Anliegen der öffentlichen Wasserwirtschaft in Deutschland hinweisen.
Die AöW sieht in den Freihandelsabkommen der sog. »neuen Generationen«, wie auch in dem EU-Japan-Handelsabkommen, die öffentliche Wasserwirtschaft in Deutschland nicht ausreichend abgesichert. Das Europäische Parlament hatte die EU-Kommission bereits aufgefordert für zukünftige Handelsabkommen, die »Wasserversorgung und sanitäre Grundversorgung sowie Abwasserentsorgung auf Dauer von den Binnenmarktvorschriften und allen Handelsabkommen auszunehmen, da diese als Teil der Daseinsvorsorge vorwiegend in öffentlichem Interesse sind und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt werden sollen [...]« (Entschließung des Europäischen Parlaments vom 08.09.2015 zu den Folgemaßnahmen zu der Europäischen Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser (2014/2239(INI), Ziffer 22).
Obwohl es eine Reihe von Schutzbestimmungen auf nationaler und EU-Ebene für die kommunale Selbstverwaltung und für die Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge gibt, werden diese durch derartige Handelsabkommen »durch die Hintertür« immer öfter unterlaufen und über die Entscheidungsträger der lokalen/regionalen Gebietskörperschaften hinweg ratifiziert – beim EU-Japan-Abkommen als »EU-only« sogar ohne Entscheidung der Bundesländer und sogar ohne den Bundestag.
Nach AöW-Ansicht ist das Handelsabkommen zwischen der EU und Japan nach dem EU-Kanada-Handelsabkommen (CETA) ein erneuter Schritt zu erhöhtem Privatisierungs- und Liberalisierungsdruck.
Die kritischen Inhalte im EU-Japan-Abkommen im Einzelnen:
- Negativliste: Die Verwendung einer Negativliste im EU-Japan-Abkommen lehnen wir ab. Nach unserer Ansicht kann eine Negativliste trotz eines – und aus unserer Sicht lückenhaften und überarbeitungsbedürftigen – horizontalen Vorbehaltes für öffentliche Dienstleistungen (vgl. »Anhang II – Vorbehalte in Bezug auf künftige Massnahmen – Liste der Europäischen Union«, Vorbehalt Nr. 1) nicht die gleiche Absicherung der öffentlichen Wasserwirtschaft (vor allem Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung) leisten wie eine Positivliste. Es bleibt immer die Gefahr, dass für bestimmte Dienstleistungen in der Wasserwirtschaft der Marktzugang gilt und deshalb diese Sektoren insgesamt mit marktwirtschaftlichen Folgen rechnen müssen, obwohl sie solche Interessen nicht verfolgen. Die AöW fordert in Anhang II die Verwendung einer Positivliste, in der die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung nicht genannt sind.
- Marktzugang/Nichtdiskriminierung für den Abwasserbereich: Es besteht kein Vorbehalt für den Bereich Abwasser (vgl. »Anhang II – Vorbehalte in Bezug auf künftige Massnahmen – Liste der Europäischen Union«, Vorbehalt Nr. 15), der in CETA noch als »Dienstleistungen im Bereich Umwelt« – zumindest für Deutschland ausdrücklich enthalten war (vgl. Anhang II – »In Deutschland geltende Vorbehalte«, Sektor: Dienstleistungen im Bereich Umwelt). Die Absicherung für den Abwasserbereich hängt somit nur noch von einem rechtlich unsicheren horizontalen Vorbehalt für öffentliche Dienstleistungen ab. Mit einem Schutz der Abwasserwirtschaft lediglich durch einen horizontalen Vorbehalt widerspricht das EU-Japan-Abkommen jedoch der besonderen Stellung der Abwasserwirtschaft innerhalb der öffentlichen Dienstleistungen in Deutschland. Während bestimmte Aufgaben der Daseinsvorsorge auch durch Private wahrgenommen werden können, ist Abwasser nur durch »juristische Personen des öffentlichen Rechts« zu beseitigen (§ 56 S. 1Wasserhaushaltsgesetz) und damit einer Privatisierung nicht geöffnet. Somit widerspricht das EU-Japan-Abkommen der in Deutschland bewährten Organisation und Struktur der Abwasserwirtschaft. Die AöW fordert einen ausdrücklichen Vorbehalt in Annex II, Nr. 15 für den Bereich Abwasser, soweit eine Positivliste im vorgenannten Sinne nicht angewendet wird.
- Vorsorgeprinzip: Das Vorsorgeprinzip ist nicht nur ein grundlegendes Prinzip für Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz in Deutschland, sondern auch für die öffentliche Wasserwirtschaft. Wir fordern, dass dies ausdrücklich und wirksam in Handelsabkommen abgesichert ist. Bisher ist dies im EU-Japan-Abkommen nicht erkennbar. Die AöW fordert die ausdrückliche Anerkennung des EU-Vorsorgeprinzips für die Bereiche Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz im EU-Japan-Abkommen.
- Das EU-Japan-Abkommen bleibt hinter CETA zurück: Das Abkommen EU-Kanada (CETA) wurde sowohl von Vertretern der EU-Kommission als auch des BMWi als »Goldstandard« für zukünftige Abkommen bezeichnet. Leider können wir diese Vorgabe insbesondere im Hinblick auf die zu CETA abgegebenen und angeblich verbindlichen Zusatzerklärungen nicht wiederfinden. Auch findet sich im EU-Japan-Abkommen kein Sonderartikel zu Wasser (vgl. Artikel 1.9 CETA). Schließlich findet sich im Abschnitt »Innerstaatliche Regulierung« (Kapitel 8 Abschnitt E im EU-Japan-Abkommen) auch keine vergleichbare Ausnahme für die Wasserversorgung, wie im CETA-Abkommen (Artikel 12.2. Abs. 2 Buchst. b (ii) CETA-Abkommen). Die AöW fordert im EU-Japan-Abkommen einen Sonderartikel zu Wasser, wonach Wasser und seine Nutzung vom EU-Japan-Abkommen insgesamt ausgenommen ist und in dem klargestellt wird, dass Wasser keine übliche Handelsware ist, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.
- Offene Auswirkungen durch das Vergabekapitel: Aus Kapitel 10 (Öffentliche Beschaffung) lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob der gemischte Ausschuss nachträglich Änderungen in Anhang 10 in der Weise vornehmen kann, dass sie den Ausnahmen für die öffentlichen Unternehmen innerhalb des EU-Vergaberegimes zuwider laufen können. Die AöW fordert eine Klarstellung im EU-Japan-Abkommen im Vergabekapitel dahingehend, dass die kommunalen Handlungsmöglichkeiten für öffentliche Unternehmen im Wasserbereich entsprechend dem EU-Vergaberechtsregime ausdrücklich – auch für die Zukunft – abgesichert sind.
- Offene Auswirkungen durch »Gemischte Ausschüsse« und Sonderausschüsse: Im EU-Japan-Abkommen sind der sog. »Gemischte Ausschuss« und »Sonderausschüsse« vorgesehen. Nicht abschätzbar ist, ob ihre bindenden Beschlüsse (vgl. Artikel 22.2. EU-Japan-Abkommen) auch negative Auswirkungen auf die kommunale Wasserwirtschaft haben können. Deshalb erscheint es aus unserer Sicht umso wichtiger, den Bereich Wasser aus dem EU-Japan-Abkommen insgesamt auszunehmen.
Wir möchten Sie nachdrücklich bitten, sich für die Belange der kommunalen öffentlichen Wasserwirtschaft einzusetzen und bitten die zuvor genannten Punkte zu berücksichtigen.
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Der Originaltext findet sich hier: ▸https://aoew.de/media/Publikationen/Stellungnahmen/2018/AoeW_Stellungnahme_EU_Japan_Abkommen__2018-05-14_final.pdf.