Baulandmobilisierungsgesetz: Das Bodenproblem bleibt ungelöst
7. Mai 2021 | Maximilian Fuhrmann
Heute, am 7. Mai 2021, hat der Bundestag das Baulandmobilisierungsgesetz verabschiedet. Der sperrige Titel gibt den Inhalt des Gesetzes nur teilweise wieder. Gute Ansätze wurden durch die Unionsparteien verwässert.
Neben Maßnahmen, die eine Beschleunigung von Bauvorhaben bezwecken, bekommen Kommunen zusätzliche Möglichkeiten, um für bezahlbares Wohnen in ihren Gemeinden zu sorgen. In angespannten Wohnungsmärkten soll die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschwert werden. Man merkt dem Gesetz an, dass die Große Koalition lange darum gerungen hat: Viele gute Ansätze sind durch Befristungen, Länderklauseln oder komplizierte Ausnahmenregelungen verwässert. Darüber hinaus war das Gesetz (und die ihm zu Grunde liegende Baulandkommission) von Beginn an in das Korsett des Koalitionsvertrags geschnürt, in dem es heißt: »Weitere Verschärfungen der Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen in Eigentumsrechte durch Gestaltung auf Bundesebene werden dabei nicht verfolgt.«
Auch wenn das grundlegende Problem der steigenden Bodenpreise und dem daraus entstehendem Druck auf die Mieten (vgl. ausführlich: ▸https://www.blickpunkt-wiso.de/post/steigende-grundstueckspreise-steigende-mieten-diese-bundesregierung-wird-den-bodenwahnsinn-nicht-stoppen--2371.html) durch das Gesetz nicht behoben wird, lohnt sich ein Blick auf die einzelnen Regelungen:
1.) Umwandlungsvorbehalt
Durch den neuen § 250 BauGB haben Kommunen in angespannten Wohnungsmärkten die Möglichkeit, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu unterbinden. Bislang war das nur in Milieuschutzgebieten möglich. Ziel dieser Regelung ist es, Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen, da mit einer Umwandlung in Eigentumswohnungen meist Mietsteigerungen oder Eigenbedarfskündigungen verbunden sind. Die Regelung ist ein Meilenstein zur Sicherung bezahlbaren Wohnens. Sie ist aber mit mehreren verwässernden Ausnahmen versehen.
- Der Vorbehalt soll nur in jenen Kommunen gelten, die per Landesverordnung als angespannter Wohnungsmarkt deklariert werden. Bleibt also ein Land untätig (wie Schleswig-Holstein oder das Saarland bei der Mietpreisbremse), dann haben die Kommunen in diesem Bundesland keine Möglichkeit, von dem Vorbehalt Gebrauch zu machen.
- Die Landessatzungen müssen zum 31.12.2025 außer Kraft treten, sind also auf maximal 4,5 Jahre befristet.
- Sollen zwei Drittel der Wohnungen an die Mieter*innen veräußert werden, muss der Umwandlung stattgegeben werden. Bislang wird die Ausnahme so interpretiert, dass das letzte Drittel erst frei veräußert werden darf, wenn die anderen zwei Drittel an die Mieter*innen gehen. Das soll im Grundbuch festgeschrieben werden. Aber: Die Eintragung im Grundbuch erlischt, wenn die Landesverordnung außer Kraft tritt. Das bedeutet: Wenn die Landesverordnungen nicht über den 31.12.2025 verlängert werden, dürfen alle Wohnungen frei verkauft werden, da die Umwandlung bereits genehmigt ist. Dies kann dann auch für Wohnung in Milieuschutzgebieten gelten, was hier eine Verschlechterung bedeutet.
- Die Genehmigung ist außerdem zu erteilen, wenn sich in einem Gebäude weniger als fünf Wohnungen befinden. Die Länder können diese Grenze auf drei herab- oder auf bis zu 15 heraufsetzen. Die Begründung dieser Ausnahme ist, dass Kleinvermieter*innen nicht zugemutet werden kann, auf eine Umwandlung zu verzichten.
Die Absurdität der letzten beiden Ausnahmen liegt auf der Hand: Wer ein Mietshaus mit mehreren Wohnungen in einem angespannten Wohnungsmarkt besitzt, ist in der Regel nicht so bedürftig, dass eine verbotene Umwandlung den finanziellen Ruin bedeutet (zudem gäbe es für diesen Fall bereits eine Ausnahmeregelung). Auch der Umstand, dass bei den aktuellen Immobilienpreisen zwei Drittel der Mieter*innen es sich leisten können, die Wohnung, in der sie zur Miete wohnen, zu kaufen, ist höchst unwahrscheinlich. Bei 18.384 umgewandelten Wohnungen in Berliner Milieuschutzgebieten wurden lediglich 54 von den Mieter*innen gekauft. Beide Ausnahmefälle sind allein deswegen in das Gesetz gekommen, um Schlupflöcher zu generieren, den Verwaltungsaufwand der Kommunen zu erhöhen, Unsicherheit bei den Mieter*innen zu schüren und Gerichte zu beschäftigen. Durch die Notwendigkeit der Länderverordnungen wird es einen unübersichtlichen Flickenteppich geben. Die Befristung des Gesetzes hat zur Folge, dass durch die Hintertür eine Verschlechterung für Mieter*innen in Milieuschutzgebieten droht.
Kurzum: Ein guter Vorschlag wurde durch die Intervention der Union unnötig verkompliziert und aufgeweicht. Das erinnert stark an die Mietpreisbremse. Die kommende Bundesregierung muss hier nacharbeiten.
2.) Sektorale Bebauungspläne
Durch diese Änderung in § 9, Abs. 2d BauGB haben die Kommunen auch im Innenbereich die Möglichkeit, eine bestimmte Quote an geförderten Sozialwohnungen festzuschreiben. Bislang konnten Investoren auf Baulücken in ungeplanten Gebieten nach §34 BauGB weitgehend bauen was sie wollten. Sie bedienten hier vor allem das Luxussegment. Die Änderung ist ein wichtiger Schritt zur sozialen Durchmischung der Innenstädte und zu mehr bezahlbarem Wohnraum. Bedauerlicherweise ist die Regelung befristet und Kommunen müssen bis 31.12.2024 die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans eingeleitet haben.
3.) Kommunale Vorkaufsrechte
Hier gibt es eine uneingeschränkte Verbesserung. Übt eine Kommune ihr Vorkaufsrecht aus, muss sie bislang den erzielbaren Marktpreis bezahlen, sofern dieser den Verkehrswert nicht »in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich« überschreitet (§ 28 BauGB). In der Praxis hat dies zur Folge, dass die Kommunen oftmals den Verkehrswert plus 20 Prozent zahlen müssen. Die zitierte Passage ist nun gestrichen, sodass die Kommunen bei Ausübung des Vorkaufrechts in Zukunft nur den Verkehrswert aufwenden müssen. Freilich ist der Verkehrswert in vielen Kommunen zu hoch und seine Berechnung kompliziert, doch verhindert diese Änderungen, dass Kommunen durch Vorkaufsrechte die Preisspirale mit nach oben drehen. Positiv ist auch, dass Kommunen statt zwei nun drei Monate Zeit haben von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Hier wäre zukünftig gleichwohl eine weitere Verlängerung der Frist sinnvoll, um den Kommunen das Ausüben des Vorkaufsrechts zu erleichtern.
Das allgemeine Vorkaufsrecht (§ 24 BauGB) wurde dergestalt verbessert, dass Kommunen nun auch bei brachliegenden Grundstücken davon Gebrauch machen können. Das besondere Vorkaufsrecht (§ 25 BauGB) wurde ebenso erweitert und auf brachliegende Grundstücke ausgeweitet. Allerdings tritt diese Änderung nur für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt in Kraft, die wiederum von den Ländern festgelegt werden.
4.) Baugebote
Die Anwendung von Baugeboten wurde verschlimmbessert. Das Anwendungsgebiet für Baugebote wurde erweitert (§ 176 BauGB), allerdings nur in angespannten Wohnungsmärkten. Zudem wird durch den neuen § 176a die Anwendung von Baugeboten auf mehrere Grundstücke in einem Gebiet ermöglicht und damit der bürokratische Aufwand gesenkt. Inwieweit die Verbesserungen durchschlagend sind, wird die – bislang kaum vorhandene – Anwendung in der Praxis zeigen. Neu ist auch, dass ein Baugebot abgewendet werden kann, wenn das Grundstück »aus Gründen des Erhalts der Entscheidungsbefugnis über die Nutzung des Grundstücks für seinen Ehegatten oder eine in gerader Linie verwandte Person nicht zuzumuten ist«. Hier zeichnet sich eine hohe Hürde für wirksame Baugebote ab, da der Verweis auf eine zukünftige Bebauung für Familienmitglieder in vielen Fällen schwer zu widerlegen sein wird.
5.) Beschleunigte Verfahren im Außenbereich
Der § 13b BauGB erlaubt beschleunigte Baugenehmigungen im Außenbereich (also außerhalb von Innen- und Vorstädten) und wird durch das Baulandmobilisierungsgesetz bis Ende 2022 verlängert. Auf diesen Flächen werden vornehmlich Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet, oft in Regionen mit ausgeglichenem Wohnungsmarkt. Durch die geplante Verlängerung des § 13b wird der Flächenverbrauch weiter rasant steigen und der Vorrang der Innenentwicklung untergraben. Die Verlängerung macht weder aus wohnungspolitischer noch aus ökologischer noch aus verkehrspolitischer Sicht Sinn.
Fazit
Das Baulandmobilisierungsgesetz ist das wichtigste wohnungspolitische Vorhaben der aktuellen Bundesregierung. Es ist gut, dass es überhaupt verabschiedet wurde. In Anbetracht der extremen Bodenpreissteigerungen, die sich wiederum auf die Mietpreise niederschlagen und eine ökonomische »Umverteilungsmaschine« von unten nach oben darstellen, wären entschlossenere Maßnahmen wünschenswert und notwendig, doch in dieser Regierungskonstellation nicht möglich. Die Ausnahmen, Befristungen und Länderklauseln sind sehr ärgerlich, da bei vielen Menschen nicht ankommt, was die Regelungen erstmal versprechen. Beim Umwandlungsvorbehalt dürfte es ähnliche Unsicherheiten wie bei der Mietpreisbremse geben. Das verstärkt das Gefühl vieler Menschen, dass politische Maßnahmen nicht wirken, und trägt zur Politikverdrossenheit bei. Das muss sich die Unionsfraktion als verlängerter Arm der Immobilienlobby ankreiden lassen.
Erfreulich ist, dass das Gesetz die Relevanz von Boden stärker ins politische Bewusstsein gebracht hat. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Mieter*innenbewegung und andere Akteure dem Thema stärker zuwenden. Denn ohne den Druck der Öffentlichkeit wird sich auch die kommende Bundesregierung nicht dazu durchringen, ein soziales Bodenrecht zu etablieren.
Maximilian Fuhrmann ist Referatsleiter für Wohnungspolitik beim DGB-Bundesvorstand.