Bernie Sanders, Hillary Clinton und das Geld
2. März 2016 | Dean Baker
Der US-Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, Bernie Sanders, hat die korrumpierende Rolle des Geldes in der Politik zu einem zentralen Thema seiner Kampagne gemacht. Er argumentiert, dass die Reichen durch die finanzielle Unterstützung von Wahlkämpfen und politischen Kampagnen den politischen Prozess kontrollieren. Dies führe zu einem politischen System, das sehr effektiv darin sei, die Interessen von Wall Street, Versicherungen und Pharma-Industrie zu bedienen. Es sei weit weniger effektiv darin, den Bedürfnissen der einfachen Menschen gerecht zu werden.
Diese Positionierung hat im Rennen um die Präsidentschafts-Kandidatur der Demokratischen Partei zu einer interessanten Dynamik geführt. Sanders' Kontrahentin Hillary Clinton hat dessen Behauptung umgedreht und ihn aufgefordert, zu zeigen, wo sie eine politische Position geändert habe, um den Interessen der Reichen zu dienen.
Dies mag als Kampagnen-Taktik nützlich sein, aber es stellt die Art und Weise völlig falsch dar, in der Geld politische Kampagnen beeinflusst. Zweifellos gibt es Fälle, in denen ein Individuum oder eine industrielle Gruppe im Austausch für politische Unterstützung bei einem bestimmten Thema eine umfangreiche Zahlung verspricht, doch ist dies sehr selten. Häufiger ist die Unterstützung der Interessen der Reichen durch Politiker Teil eines sehr viel längeren Prozesses. Es ist nicht einfach so, dass der Politiker bewusst handelt, um sich die Gunst der Reichen und Mächtigen zu erschmeicheln. Viel häufiger identifizieren sich Politiker mit den Interessen der Reichen und Mächtigen, sodass sie ihr Verhalten nicht einmal für eine Verletzung von Prinzipien halten.
Handelspolitik bietet dafür ein wunderbares Beispiel. Während der letzten 25 Jahre hat die Führung beider politischer Parteien in den USA beständig Handelsverträge vorangetrieben, die gegen die Interessen eines großen Teils der Arbeiterinnen und Arbeiter in den USA verstießen. Letzteres war nicht einfach eine unerwünschte Nebenwirkung dieser Verträge, sondern bewusst in ihnen angelegt. Handelsverträge wie das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA oder der Status als meistbegünstigtes Land für China wurden geschaffen, um Produktionsarbeiter in den USA in direkte Konkurrenz mit schlechtbezahlten Arbeitern in Entwicklungsländern zu setzen. Gemäß üblicher Außenhandelstheorie führt dieser Wettbewerb zu einem Verlust an Arbeitsplätzen in der Produktion und zu Abwärtsdruck auf die Löhne – und zwar nicht nur auf die der Produktionsarbeiter, sondern auf die Löhne geringer qualifizierter Arbeiter im Allgemeinen.
Die Löhne aller anderen Arbeiter fallen, weil entlassene Produktionsarbeiter gezwungen sind, sich Jobs im Einzelhandel und anderen Sektoren zu suchen. Das größere Angebot senkt die Löhne auch in diesen anderen Sektoren. Jüngste Forschungen der wichtigsten US-Arbeitsmarktökonomen belegen, dass der Außenhandel eine der wichtigsten Ursachen für das Sinken der Löhne einer großen Zahl an Arbeitern war.
Während die Kapitalseite von diesen Handelsverträgen profitierte, mussten die meisten Politikerinnen und Politiker, die sie vorantrieben, wohl überhaupt nicht durch Kampagnengelder gekauft werden. Ganz im Gegenteil unterstützten sie diese Verträge wahrscheinlich schlicht deshalb, weil sie dachten, sie täten damit das Richtige. Letzten Endes verkehren Politiker hauptsächlich mit Menschen, die von diesen Handelsverträgen profitieren – sei es durch höhere Unternehmensgewinne oder sei es, weil sie billigere Kleidung und Autos kaufen können. Es ist weniger wahrscheinlich, dass Politiker mit den Arbeitern aus der Automobil- oder Textilproduktion verkehren, die ihre Arbeit verlieren, oder mit den Angestellten im Einzelhandel, deren Löhne sinken.
In den meisten Fällen haben die Politiker, die für die Handelsverträge stimmen, keinerlei Nachteile. Politiker sind Menschen, die gewählt werden, wenn sie sich Freunde suchen und Gelder einwerben – sie werden nicht als Politikexperten oder politische Philosophen gewählt. Fachmann oder Fachfrau in den Themengebieten zu sein, zu denen der Kongress oder der Präsident arbeitet, ist nicht Bestandteil ihrer Tätigkeitsbeschreibung.
Mehr noch, wenn ihr Blickfeld weiter reicht als nur bis zu ihren Freunden, stoßen sie auf Medien wie die Washington Post, die den Segen des "Freihandels" abfeiern. Die Handelsverträge bauten nicht nur in keiner Weise jene Handelsbarrieren ab, die hochbezahlte Berufe wie Ärzte oder Rechtsanwälte schützen, sondern sie erhöhten überdies den Patentschutz auf Medikamente und andere Produkte. Und obwohl diese Formen des Protektionismus ganz offensichtlich den Reichen nützten, wurden die Handelsverträge dennoch "Freihandelsabkommen" genannt.
Die gleiche Geschichte lässt sich zu einer ganzen Reihe an Themen erzählen. Die Bankenrettungen seien notwendig gewesen, um eine Zweite Große Depression zu verhindern. Die Politiker mögen keine Ahnung haben, weshalb dem so sein soll – aber das ist das, was ihnen ihre Freunde erzählten. Die US-Notenbank Fed müsse ihre Zinsen erhöhen, da ein gewisses Inflationsrisiko bestehe – selbst wenn dies bedeutet, dass weniger Menschen Arbeit haben werden. Diese Liste kann beliebig erweitert werden.
Jene Leute, die diese Sichtweisen vielleicht in Frage stellen – und die auf Sachverhalte und Tatsachen hinweisen, die zeigen, dass diese Sichtweisen falsch sind – bekommen kaum die Chance, ihre Argumente in die politische Debatte zu bringen, denn hinter ihnen stehen nicht die Millionäre und Milliardäre. Diese Leute werden von Medien wie die Washington Post ignoriert oder belächelt.
Auf diese Weise kontrollieren die Reichen den politischen Prozess. Für die, die jede Politik in Frage stellen, die ihren Interessen widerspricht, macht es das System extrem schwer, überhaupt gehört zu werden. Deshalb ist es so inspirierend zu sehen, wie der Kandidat Senator Sanders genug Geld und Unterstützung erhält, um ein ernstzunehmender Bewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur zu sein – sogar ohne finanzielle Unterstützung durch die Reichen.
Wir sehen immer wieder, dass die Reichen den Politikern Geld geben – sei es in Form großer Vortragshonorare oder sei es in Form eines gut bezahlten Jobs. Es ist wahrscheinlich das Beste, dies wie ein Valentinstag-Geschenk zu verstehen: Niemand liebt seinen Ehepartner oder Lebensgefährten wegen eines großzügigen Valentinstags-Geschenks, dieses ist eher Ausdruck einer anhaltenden Zuneigung.
Wenn sich das seltsam anhören sollte, dann stellen wir uns mal ein etwas anderes Szenario vor. Nehmen wir einmal an, Bernie Sanders hätte vier Jahre in Präsident Obamas Regierung verbracht und in dieser Zeit alles getan, was er tun konnte, um die großen Banken zu zerschlagen und Wirtschaftskriminelle hinter Gitter zu bringen. Glaubt irgendjemand ernsthaft, Goldman Sachs würde ihm dann 250.000 Dollar bezahlen, um von seinen Erfahrungen zu berichten?
Der Artikel erschien zuerst auf Englisch unter http://cepr.net/publications/op-eds-columns/bernie-sanders-hillary-clinton-and-the-money. Wir danken für die Genehmigung zur Übersetzung und Zweitveröffentlichung. Dieser Text ist von der CC-Lizenz gemäß Impressum ausgeschlossen; das Zitieren und das Verlinken des Textes ist erlaubt, nicht aber das Vervielfältigen/Kopieren. Übersetzung: Patrick Schreiner.
Dean Baker ist ein US-amerikanischer Volkswirt und Publizist. Mit Mark Weisbrot betreibt er das Center for Economic and Policy Research (CEPR).