Die Modern Monetary Theory – ein neuer wirtschaftspolitischer Stein der Weisen?
17. Januar 2022 | Kai Eicker-Wolf
Die Modern Monetary Theory wurde im Wesentlichen in den USA entwickelt. Seit einiger Zeit wird ihr auch in den deutschen Medien eine hohe Aufmerksamkeit zuteil.
Verantwortlich hierfür ist zum einen, dass sich in den USA mit Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders die wohl bekanntesten Mitglieder des linken Flügels der Demokratischen Partei auf die MMT beziehen. Stephanie Kelton, eine der bekanntesten MMT-Vertreter*innen und Autorin eines vielbeachteten populärwissenschaftlichen Buchs zur MMT (Kelton 2020), war längere Zeit Sanders wirtschaftspolitische Beraterin.
Zum anderen spielt die Geld- und Fiskalpolitik der vergangenen zehn bis zwölf Jahre für die recht starke mediale Wahrnehmung der MMT eine zentrale Rolle. So haben die führenden Zentralbanken der Welt mit so genannten quantitativen Lockerungen (Quantitative Easing) Maßnahmen ergriffen, die im Gegensatz zur tradierten Zinspolitik als unkonventionelle Maßnahmen gelten: Über die Käufe von privaten und vor allem öffentlichen Anleihen soll durch die Senkung der langfristigen Zinsen am Anleihemarkt und die Bereitstellung von zusätzlicher Liquidität im Bankensystem einer stagnierenden Wirtschaftsentwicklung und deflationären Tendenzen entgegengewirkt werden. Zudem hat die Fiskalpolitik angesichts der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 und ihren Folgen sowie der aktuellen Corona-Krise in vielen Ländern mit großen kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen reagiert, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren und einen noch stärkeren Wirtschaftseinbruch zu verhindern. Noch kurz vor Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise – also vor nicht einmal 15 Jahren – waren antizyklische Maßnahmen dieses Ausmaßes nicht vorstellbar, und eine extrem expansive Geldpolitik wurde als zentrale Grundlage für ökonomisch zerstörerische Inflationsprozesse angesehen.
In Deutschland wird – zum Teil äußerst kritisch – darüber diskutiert, ob es sich bei den Kaufprogrammen von Staatsanleihen seitens der Europäischen Zentralbank nicht zumindest um eine indirekte monetäre Staatsfinanzierung handelt. In diesem Kontext wird häufig behauptet, dass die aktuelle Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank und die Fiskalpolitik in den europäischen Ländern faktisch der MMT folgen würden. Tatsächlich scheint diese Behauptung zumindest nicht ganz aus der Luft gegriffen zu sein: So empfiehlt die MMT, dass der Staat seine Ausgaben zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur Steigerung der Beschäftigung einsetzen solle. Dabei könne der öffentlichen Hand das Geld nicht ausgehen, da ein Staat mit souveräner Währung sich die erforderlichen Mittel bei der eigenen Zentralbank in unbegrenzter Höhe beschaffen könne. Ein steigender Schuldenstand sei kein Problem und Staatspleiten ausgeschlossen, wenn der Staat in seinem eigenen Geld verschuldet ist.
Damit vertritt die MMT, deren führender theoretischer Kopf der US-amerikanische Ökonom L. Randall Wray (vgl. Wray 2015 und 2018) ist, eine radikale Gegenposition zu den Vorstellungen, wonach steigende Staatschulden zu einer Belastung oder gar Überforderung künftiger Generationen führten. Dem stellt die MMT die provokante These entgegen, dass ein Staat mit souveränem Geld weder sparen noch zusätzliche Steuern erheben müsse, um Vollbeschäftigung zu garantieren oder etwa einen »Green New Deal« zu finanzieren. Ein Staat mit eigener Währung könne niemals insolvent werden und sei jederzeit in der Lage, durch die Notenbank die Finanzierung seiner Ausgaben sicherzustellen. Gerade diese Positionen haben der MMT auch eine hohe Aufmerksamkeit in politisch linken Kreisen beschert.
Die Grundzüge der MMT
Ausgangspunkt der Modern Monetary Theory ist die Idee, dass insbesondere Steuern, aber auch Gebühren und Strafen in der vom Staat definierten Währung zu bezahlen sind. Hierdurch versetzt sich die öffentliche Hand in die Lage, Ressourcen für den eigenen Bedarf in Anspruch zu nehmen. Für die Bereitstellung dieser Ressourcen erhalten die Verkäufer einen Kredit in Form von Geld, das die Begleichung der Steuerschuld gestattet. Da alle Mitglieder eines Wirtschaftsraums zur Steuerzahlung verpflichtet sind, fragen auch diejenigen Personen Geld nach, die keine direkte wirtschaftliche Beziehung zur staatlichen Ebene haben. So wird ein Prozess in Gang gesetzt, der über die Nachfrage nach Geld zu einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz und zum Gebrauch der vom Staat eingeführten Währung im Wirtschaftsprozess führt.
Die Erhebung von Steuern hat – der MMT-Logik folgend – dann auch nicht die Aufgabe, Mittel zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben bereitzustellen. Vielmehr ist die Besteuerung als Geldvernichtung anzusehen: Das von der öffentlichen Hand in Umlauf gebrachte Geld wird dem Wirtschaftskreislauf wieder entzogen. Die Ausgabe von Staatsanleihen hat aus der Perspektive der Modern Money Theory ebenfalls nicht die Funktion der Staatsfinanzierung. Vielmehr bieten Staatschuldtitel die Möglichkeit einer verzinslichen Geldanlage.
Auch für MMT-Vertreter*innen stellt sich natürlich die Frage, wie ihre theoretischen Überlegungen mit der Realität in Einklang zu bringen sind. Schließlich sind die Zentralbanken in den meisten entwickelten Industrieländern unabhängig, und eine Direktfinanzierung der öffentlichen Hand durch Notenbanken ist in der Regel untersagt – Finanzministerium und Zentralbank bilden erst recht keine Einheit. Ein Kauf von Staatsanleihen ist einer Notenbank in der Regel nur am Sekundärmarkt – also nicht als unmittelbare Käuferin – gestattet.
Nach Auffassung von Anhänger*innen der Modern Monetary Theory handelt es sich bei der institutionellen Trennung bzw. der politischen Unabhängigkeit von Zentralbank und Finanzministerium um selbst auferlegte Beschränkungen. Die komplexe institutionelle Ausgestaltung durch die Trennung von Zentralbank und staatlichem Haushalt sowie das formale Verbot einer Direktfinanzierung der Staatsausgaben werden als Schleier interpretiert, der das reale Geschehen und damit bestehende wirtschaftspolitische Gestaltungsmöglichkeiten verberge. Dabei ist die Frage nach der Tragfähigkeit der Staatsverschuldung für die MMT irrelevant. Für einen Staat mit eigener souveräner Währung spiele die Höhe des Schuldenstandes keine Rolle, denn er könne in der eigenen Währung jede fällig werdende und erforderliche Zahlung leisten.
Souverän ist eine Währung für MMT-Anhänger*innen nur dann, wenn der Wechselkurse frei schwanken kann. Dabei werden flexible Wechselkurse nicht etwa mit Blick auf die Zahlungsbilanz bzw. den Außenhandel befürwortet. Vielmehr muss eine Währung gemäß MMT frei schwanken, da nur dann kein institutioneller Zwang zur Intervention an den Devisenmärkten bzw. zu einer restriktiven Wirtschaftspolitik zur Stabilisierung des Wechselkurses besteht. Vermieden werden müsse eine Verschuldung in Auslandswährung, denn im Falle einer Abwertung drohe der so genannte Realschuldeneffekt: Muss ein Kredit in Auslandswährung bedient werden, und wertet die eigene Währung ab, dann ist ein höherer Betrag an Inlandswährung aufzuwenden, um den Kredit zurückzuzahlen.
Auf der geschilderten Grundlage besteht für die MMT ein weiter Spielraum für die Finanzpolitik im Zusammenspiel mit der Geldpolitik, der insbesondere zur Erreichung von Vollbeschäftigung genutzt werden könne. Die öffentliche Hand soll über ein entsprechendes Beschäftigungsprogramm jeder Person, die Arbeit sucht, ein entsprechendes Arbeitsangebot machen (Jobgarantie). Verbunden wird dies zum Teil auch mit der Möglichkeit, einen »Green New Deal« zu finanzieren. Der Lohn im Rahmen der Jobgarantie soll für eine Vollzeitarbeitskraft ein existenzsicherndes Arbeitsentgelt zur Verfügung stellen, das auf Stundenbasis auch den effektiven nationalen Mindestlohn darstellt. Im Falle eines wirtschaftlichen Aufschwungs wird die Beschäftigung im Privatsektor zu- und im Jobgarantie-Beschäftigungsprogramm abnehmen, und im Falle eines Abschwungs geschieht das Umgekehrte.
Auch wenn die öffentliche Hand aus MMT-Sicht grundsätzlich keine Finanzierungsprobleme hat, so werden doch ökonomische Beschränkungen auf der Ausgabenseite gesehen, die in der Verfügbarkeit von Ressourcen und der Auslastung von Kapazitäten bestehen. Durch eine Steigerung der staatlichen Ausgaben könne es – wenn die Wirtschaft ihre Kapazitätsgrenzen erreicht hat – zu einer nachfrageinduzierten Inflation kommen. Um dies zu vermeiden, favorisiert die MMT insbesondere Steuererhöhungen, um in diesem Fall die private Nachfrage zu reduzieren. Die Kaufkraft des privaten Sektors werde so durch die zusätzlich zu zahlenden Steuern beschränkt, um der öffentlichen Hand eine inflationsfreie Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu ermöglichen.
Kritische Punkte: Steuern, Verteilung und Beschäftigung
Mit ihren theoretischen Überlegungen und den darauf aufbauenden wirtschaftspolitischen Vorschlägen scheint die MMT eine attraktive Alternative zum neoliberalen Mainstream zu bieten. Allerdings zeigen sich bei genauerem Hinsehen doch erhebliche Mängel – im Folgenden sollen dabei insbesondere die wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen und Empfehlungen im Vordergrund stehen.
Auffällig ist, dass zu Fragen der Einkommens- und Vermögensverteilung von MMT-Vertreter*innen ambivalente Aussagen gemacht werden. Zum einen finden sich kurze Bemerkungen, dass die Verteilung in den vergangenen Jahren ungleicher geworden sei – meist verbunden mit dem Hinweis, dies sollte korrigiert und hierzu könne auch die Steuerpolitik herangezogen werden.
Neben Aussagen, die ein verteilungspolitisches Handeln fordern oder zumindest nahelegen, finden sich allerdings auch Feststellungen von prominenten MMT-Ökonom*innen, die als Absage insbesondere an steuerpolitische Korrekturen von ungleicher Verteilung zu verstehen sind und explizit von einer Umverteilung durch Steuern abrücken. So wirbt Stephanie Kelton im Februar 2019 in einem Beitrag auf Bloomberg.com für ein Deficit Spending zur Finanzierung eines Green New Deal und weiterer Ausgabenprogramme, statt reiche Personen zu besteuern (Kelton 2019). Sicherlich können staatliche Ausgabenprogramme dazu beitragen, die Verteilungslage von unteren Einkommensschichten zu verbessern. Letzteres gilt auch für Beschäftigung zu einem armutsfesten Mindestlohn. Allerdings ist das Problem der enormen Konzentration von Einkommen und Vermögen, das in den Arbeiten von Thomas Piketty (2014, 2020) problematisiert wird, sowie der damit einhergehenden gesellschaftlichen Macht nur durch eine radikale Besteuerung lösbar. Zumindest eine progressive wirtschaftspolitische Programmatik müsste diesen Punkt beachten.
Zu hinterfragen ist in diesem Kontext auch das Plädoyer von L. Randall Wray für die generelle Abschaffung der Unternehmenssteuern. Wray begründet dies damit, dass Unternehmenssteuern durch Überwälzung in höhere Preise und/oder geringere Löhne führen würden. Allerdings sei nicht klar, so Wray, in welchem Umfang die Überwälzung erfolge. Dies hänge vermutlich von der Wettbewerbsintensität auf den Märkten ab. Zum anderen komme es aufgrund des internationalen Steuerwettbewerbs zu Unternehmensverlagerungen (vgl. Wray 2015: 154 f., ähnlich Höfgen 2020: 203 ff.).
Tatsächlich ist die Frage, ob und in welcher Form es zur Überwälzung von Unternehmenssteuern kommt, in den Wirtschaftswissenschaften hochgradig umstritten (vgl. Fauser 2019). Grundsätzlich erscheint es nicht plausibel, bei Gewinnsteuern von einer generellen Überwälzung auszugehen. Ebenfalls nur eingeschränkt überzeugen kann die These, dass der internationale Steuerwettbewerb zu Unternehmensverlagerungen führe (vgl. ebd.). Denn tatsächlich ist die Höhe der Gewinnbesteuerung für grenzüberschreitende Investitionsentscheidungen und Standortverlagerungen nur einer unter vielen Faktoren. Einen wesentlich größeren Einfluss auf Auslandsinvestitionen haben die Größe der Absatzmärkte, das Vorhandensein von qualifizierten Arbeitskräften, die Infrastruktur und Fragen der Rechtssicherheit.
Neben den verteilungspolitischen Überlegungen weist auch die Idee des Jobgarantieprogramms bei genauerem Hinsehen Probleme auf. Zwar betonen MMT-Vertreter*innen in der Regel, dass die Jobgarantie-Beschäftigung auf keinen Fall in Konkurrenz zur Beschäftigung im Privatsektor oder zum Öffentlichen Dienst stehen solle. Ob dies in der Umsetzung gerade mit Blick auf den Öffentlichen Dienst gelingen kann, ist allerdings in Frage zu stellen, da für das Jobgarantie-Programm auch Beschäftigung in den Bereichen Pflege sowie Erziehung und Bildung genannt wird (vgl. z.B. Höfgen 2020: 163). Gesellschaftlich bedeutsame Beschäftigungsverhältnisse und Tätigkeiten – zumal dann, wenn diese von ausgebildeten Fachkräften erbracht werden müssen – sollten allerdings dauerhaft bereitgestellt werden und nicht den Schwankungen des Jobgarantie-Beschäftigungspools unterliegen (so auch Sawyer 2020: 368). Letztlich kann die Beschäftigung im Jobgarantie-Programm immer nur von nachrangiger Bedeutung sein – dieses grundsätzliche Dilemma besteht für alle öffentlichen Beschäftigungsprogramme, die keine Dauerbeschäftigungsverhältnisse bieten.
Keine Perspektive für Schwellen- und Entwicklungsländer
Wie bereits erwähnt, sprechen sich Vertreter*innen der MMT grundsätzlich für flexible Wechselkurse aus, um souverän agieren zu können. Wechselkursveränderungen aufgrund von frei schwankenden Wechselkursen können aber erhebliche Auswirkungen auf die Binnenwirtschaft haben. So wird im Falle einer starken Aufwertung etwa aufgrund von massiven Kapitalzuflüssen der Export des hiervon betroffenen Landes zurückgehen, und es wird in den Exportsektoren zu einem Beschäftigungsrückgang und Unternehmenspleiten kommen. Auch massive Abwertungen sind problematisch. So werden hierdurch zwar Exportgüter an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen und damit die Ausfuhr angeregt. Wenn allerdings eine starke Abhängigkeit von Rohstoffen und Vorprodukten besteht, die nicht durch eine entsprechende Produktion im Inland ersetzt werden können, dann werden die teureren importierten Waren die Inflation im Inland anheizen. Unter Umständen kann dies einen kumulativen Prozess in Form einer Abwertungs-Inflations-Spirale in Gang setzen.
Auch von der MMT wird durchaus erkannt, dass Abwertungen der eigenen Währung ein Problem im Falle einer bestehenden Verschuldung in ausländischer Währung sind, da der Schuldenstand in eigener Währung gerechnet allein aufgrund der Abwertung steigt. Deswegen wird von MMT-Vertreter*innen empfohlen, eine Verschuldung in ausländischer Währung zu vermeiden. Diese Empfehlung erscheint aber unrealistisch, da im Rahmen eines internationalen Kreditgeschäfts der Gläubiger gegenüber dem Schuldner immer am längeren Hebel sitzt (vgl. Herr 2001: 167). Deshalb können die meisten Länder sich nicht aussuchen, in welcher Währung sie sich verschulden. Im Rahmen von internationalen Kreditbeziehungen werden lediglich Währungen mit einer hohen Reputation bzw. einer hohen Stellung in der internationalen Währungshierarchie akzeptiert – dominant ist hier der US-Dollar – und eben nicht die schwachen Währungen von Entwicklungs- und Schwellenländern.
Schwachwährungsländer sind gezwungen, als Kompensation für die geringe Reputation ihrer Währung generell höhere Zinsen zu zahlen als Länder mit härteren Währungen oder gar Leitwährungen, um ihren Wechselkurs zu stabilisieren. Sie verfügen mithin über keine souveränen Währungen im Sinne der MMT, und sie können durch kurzfristige Kapitalbewegungen unter einen starken Auf- und Abwertungsdruck geraten, auf den sie mit ihrer Geldpolitik reagieren müssen, sollen keine erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen auftreten.
Im gegenwärtigen Weltwährungs- und Finanzsystem scheinen die Analyse und die im Rahmen der Modern Monetary Theory gemachten wirtschaftspolitischen Empfehlungen hauptsächlich auf die USA abzuzielen. Diese erfüllen die von der MMT formulierten Voraussetzungen einer souveränen Währung: Der US-Dollar hat aufgrund der Stellung der USA als weltweit wirtschaftlich und auch militärisch dominierendem Staat mit einem großen Markt sowie breiten und tiefen Finanzmärkten nach wie vor die Stellung als Leitwährung inne. Zum Ausdruck kommt diese Stellung zum Beispiel in den hohen Anteilen des US-Dollars am weltweiten Devisenumsatz, an den Währungsreserven der Zentralbanken und der Verwendung im internationalen Handel (die meisten Rohstoffe werden in Dollar gehandelt). Die USA können sich international ohne Probleme in ihrer eigenen Währung verschulden, da der US-Dollar eine so hohe Akzeptanz hat.
Diese Sonderstellung der USA wurde mit einem von Valéry Giscard d’Estaing geprägten Begriff auch als »außerordentliches Privileg« (exorbitant privilège) bezeichnet. Im Kontext der MMT droht dieses Privileg, so etwa Gerald Epstein, zu einem »America first« zu werden, das den Einfluss einer solchen Politik auf die Weltwirtschaft komplett ignoriert (Epstein 2019: 57 ff.). So beeinflussen die USA zum einen aufgrund der Stellung des US-Dollars als Leitwährung mit ihrer Zinspolitik die internationalen Kapitalströme: Dies hat Auswirkungen auf die Geldpolitik anderer Länder, da diese zur Vermeidung von Wechselkursveränderungen möglicherweise hierauf reagieren müssen. Zum anderen besteht die Gefahr, dass eine längerfristige Niedrigzinspolitik, die von MMT-Ökonom*innen befürwortet wird, die Grundlage für kreditgetriebene spekulative Entwicklungen mit Blasenbildungen auf den Finanzmärkten liefern kann, die sowohl für die USA selbst als auch für die Weltwirtschaft ernstzunehmende Gefahren darstellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn angemessene Regulierungen und Kapitalverkehrskontrollen fehlen, um Destabilisierungsprozesse zu vermeiden.
Zu dieser Kurzfassung gibt es ▸hier auch eine Langfassung als PDF. Die zitierten Literaturangaben sind dort zu finden.
Kai Eicker-Wolf ist Wirtschaftswissenschaftler und Gewerkschaftssekretär.