Energiewende: RWE und eon steigen aus Atomplänen in Großbritannien aus
30. März 2012 | Patrick Schreiner
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung und verschiedene andere Medien heute berichten, steigen RWE und eon aus ihren gemeinsamen Plänen für den Neubau von Atomkraftwerken in Großbritannien aus. Das 2009 von beiden gegründete gemeinsame Unternehmen "Horizon Nuclear Power" sollte ursprünglich bis 2025 rund 16 Mrd. Euro in Atommeiler investieren. Es soll nun verkauft werden. Für die konservativ-liberale britische Regierung ist dies ein Rückschlag - sie verfolgt eines der größten Atom-Ausbauprogramme in Europa. Für den Ausstieg aus der Atomstromproduktion in Deutschland ist es eine Bestätigung.
Von den Unternehmen selbst wird die Entscheidung als "rein kommerziell" (FAZ) bezeichnet. Mit Nachdruck weisen beide Unternehmen Gerüchte zurück, es habe entsprechenden politischen Druck seitens der deutschen Bundesregierung gegeben. Die FAZ schreibt zu den Plänen der Konzerne, in einem ersten Schritt wäre es für ein AKW zunächst um Investitionen von voraussichtlich sieben bis acht Mrd. Euro gegangen. Nach dem plötzlichen deutschen Atomausstieg 2011 aber müssten RWE und eon nun "knappere Investitionsbudgets mit anderen Zielen in Einklang bringen". Die Unternehmen würden nun, nach deren eigener Aussage, "dem Ausbau der regenerativen Energie den Vorrang geben".
Außerdem hätten sich die Situation und damit die Interessenlage der Konzernleitungen seit der Gründung von Horizon 2009 geändert: Habe man damals noch auf eine Laufzeitverlängerung für AKWs in Deutschland gehofft, gelte diese Technologie nach dem Atomausstieg nun auch den Bossen als "Auslaufmodell".
Diesen Sachverhalt in einem Satz zusammengefasst: Der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland veranlasst die beiden Energiekonzerne dazu, aus der Atomwirtschaft auszusteigen und stattdessen in Erneuerbare Energien zu investieren. Damit wäre genau das erreicht, was in einem ersten Schritt mit der Energiewende auch erreicht werden sollte.
Interessant daran ist auch: RWE war nach Angaben des Berliner Tagesspiegels die treibende Kraft hinter dem Aufruf "Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft", mit dem 2010 etwa 40 Prominente aus Politik, Sport und vor allem aus der Wirtschaft für den Ausstieg aus dem rot-grünen Atomausstieg warben. Beteiligt waren unter anderem Hans-Peter Keitel (BDI), Gerhard Cromme (ThyssenKrupp), Jürgen Großmann (RWE), Josef Ackermann (Deutsche Bank), Rüdiger Grube (Deutsche Bahn), Werner Bahlsen (Bahlsen), Kurt Lauk und Friedrich Merz (beide CDU), Otto Schily (SPD) und Wolfgang Clement (ehemals SPD) sowie der Manager der Fußball-Nationalmannschaft Oliver Bierhoff. Und selbstverständlich durfte auch Carsten Maschmeyer nicht fehlen. Der Aufruf, als Anzeige in Printmedien geschaltet, begleitete die Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen über eine Verlängerung der Restlaufzeiten deutscher Atomkraftwerke. Letztlich hatte er, wie wir wissen, Erfolg: Die Laufzeiten wurden verlängert - wenige Monate später aber folgten Fukushima und die erneute Energiewende in Deutschland. Eine Energiewende, in deren Rahmen der - hoffentlich endgültige - Ausstieg aus der Atomstromproduktion beschlossen wurde.
Die den Aufruf unterzeichnenden Herren (Frauen waren nicht genannt) schrieben darin: "Ein vorzeitiger Ausstieg würde Kapital in Milliardenhöhe vernichten – zu Lasten der Umwelt, der Volkswirtschaft und der Menschen in unserem Land." Damit suggerierten sie, dass bei einem vorzeitigen Ende der Atomstromproduktion in Deutschland das Kapital fehle, um Investitionen in Erneuerbare zu tätigen. Nun hat man leider keinen detaillierten Einblick in die Bücher von RWE und eon. Die Investitionsentscheidungen in Großbritannien aber legen nahe, dass die Unternehmen wegbrechende Investitionsmittel durch Kürzungen bei Atom-Investitionen ausgleichen - und nicht durch Kürzungen bei den Erneuerbaren Energien. Vermutlich verlagern sie, darüber hinausgehend, Investitionen sogar bewusst weg von AKWs und hin zu Erneuerbaren. Damit ist so ziemlich das Gegenteil eingetreten, was die aufrufenden Herren 2010 vorhergesagt haben: Kapital wird durch den Atomausstieg nicht "zu Lasten der Umwelt" vernichtet, sondern zu Gunsten der Umwelt verlagert.
(Spätestens) Fukushima hat gezeigt, dass der Ausstieg aus der Atomkraft moralisch und politisch richtig war. Und (spätestens) die aktuelle Entscheidung von RWE und eon hat nun gezeigt, dass der Ausstieg auch wirtschaftlich richtig und vernünftig war.
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.