Dokumentation
Gemeinnützigkeit: Ministerium und Gericht an einem Strang gegen Attac?
17. Mai 2019 | Redaktion
Finanzministerium und Bundesfinanzhof sind für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von attac verantwortlich. Nun zeigt sich: Der Präsident des BFH und der zuständige Ministeriums-Mitarbeiter sind beide im Vorstand des neoliberalen »Instituts für Steuern und Finanzen«. Wir dokumentieren die Pressemeldung von attac.
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Gemeinnützigkeit: Ministerium und Gericht an einem Strang gegen Attac?
BFH-Präsident und zuständiger Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium gemeinsam im Vorstand des wirtschaftsnahen »Institut für Steuern und Finanzen«
Das wirft Fragen auf: Der Präsident des Bundesfinanzhofes (BFH), Rudolf Mellinghoff, und der für den »Fall Attac« zuständige Leiter der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, Rolf Möhlenbrock, sitzen gemeinsam im Vorstand des wirtschaftsnahen Lobbyvereins »Institut für Steuern und Finanzen«. Das hat das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus in seiner am Mittwoch ausgestrahlten Sendung aufgedeckt.
»Der Präsident des Bundesfinanzhofes und der zuständige Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium engagieren sich zusammen in einem angeblich gemeinnützigen Lobbyverein für die Senkung von Unternehmenssteuern – und verfolgen damit genau das Gegenteil dessen, wofür Attac eintritt. Zugleich sind die beiden zentrale Akteure bei der ▸Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac. Das hat einen sehr unguten Beigeschmack und bestärkt unseren Eindruck, dass es sich bei der Entscheidung des BFH um ein politisch motiviertes Urteil handelt«, stellt Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann fest.
Das Schreiben, mit dem das Finanzministerium im Juni 2018 seinen Beitritt zum Revisionsverfahren gegen Attac vor dem Bundesfinanzhof begründete, stammt von Rolf Möhlenbrock, damals noch Unterabteilungsleiter. Darin argumentiert Möhlenbrock, Attac sei zu politisch engagiert, um als gemeinnützig gelten zu können. Insbesondere kritisiert der Ministerialbeamte, die Positionen des Netzwerks seien »näher der Parteipolitik der Opposition als der der Regierungsparteien«. Und weiter wörtlich: »Die Standpunkte des Klägers waren durchweg Standpunkten von Parteien zuzuordnen, die im linken Parteienspektrum […] zu verorten sind.«
Ähnlich begründete BFH-Präsident Mellinghoff das Urteil gegen Attac im Februar dieses Jahres: Zur Gemeinnützigkeit gehöre »nicht die allgemeine politische Betätigung auf allen möglichen Feldern«. Attac habe »diesen Rahmen überschritten.«
Tatsächlich hat sich das als gemeinnützig geltende »Institut für Steuern und Finanzen« (ifst), zu dessen sechsköpfigem Vorstand Mellinghoff und Möhlenbrock gehören, selbst zum Ziel gesetzt, die Politik und insbesondere die Gesetzgebung in seinem Sinne zu beeinflussen: Anliegen des Institutes ist es, eine unternehmensfreundliche »bewegliche Steuerpolitik« durchzusetzen. Dafür kommen in Vorstand und Kuratorium des Instituts Wirtschaftsvertreter, Abgeordnete und Finanzpolitiker, Ministerialbeamte, Richter und Wissenschaftler zusammen.
In den Veröffentlichungen des Instituts überwiegen wirtschaftsliberale Positionen, wie sie FDP und CDU vertreten. So enthält der Einladungstext zur ifst-Jahrestagung klare Forderungen nach Senkung von Unternehmenssteuern und steuerlichen Standortanreizen, die eindeutig als Lobbyarbeit für Unternehmen gewertet werden können. Attac dagegen setzt sich für eine höhere Besteuerung von Konzernen und die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer ein.
Hintergrund
Mit der Behauptung, Attac sei zu politisch, entzog das Finanzamt Frankfurt dem Netzwerk am 14. April 2014 die Gemeinnützigkeit. Insbesondere der Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe diene keinem gemeinnützigen Zweck, hieß es zur Begründung. Im November 2016 gab das Hessische Finanzgericht der Attac-Klage gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit voll statt. Trotz des klaren Richterspruchs wies das Bundesfinanzministerium das Finanzamt an, beim Bundesfinanzhof in München Revision zu beantragen. Im Januar 2018 trat das Ministerium dem Revisionsprozess auch offiziell als Verfahrensbeteiligter bei.
Im Februar 2019 urteilte der BFH, das politische Engagement von Attac sei nicht vereinbar mit einer Gemeinnützigkeit, und verwies das Verfahren zurück an das Hessische Finanzgericht. In dem erneuten Prozess müssen die Richter in Kassel nun den engen Vorgaben des BFH folgen.
Infolge des Entzugs der Gemeinnützigkeit können Mitglieder und Unterstützer der Attac-Arbeit ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen. Stiftungen und andere Institutionen konnten Projekte von Attac nicht mehr fördern.
Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Attac die Gründung der Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« angestoßen, die im Juli 2015 die Arbeit aufgenommen hat. Der Allianz setzt sich für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht und eine Änderung der Abgabenordnung ein. Ihr angeschlossen haben sich mehr als 120 Vereine und Stiftungen – darunter neben Attac beispielsweise auch Brot für die Welt, Amnesty International, Medico International, Oxfam, Terres des Hommes und Campact.
Das Original der Pressemeldung findet sich hier: ▸https://www.attac.de/presse/detailansicht/news/gemeinnuetzigkeit-ministerium-und-gericht-an-einem-strang-gegen-attac-1/