Rezension
Klassenkampf von oben
8. Februar 2023 | Bernd Hüttner
Das Buch argumentiert aus der Sicht »von unten« zu wichtigen und als »umstritten« präsentierten Themen. Es ist parteiisch und sagt dies offen. Es argumentiert etwa gegen die Umverteilung nach oben, gegen den Abbau sozialer Infrastruktur, für ein gerechtes Steuersystem und eine Baupolitik, die Wohnen nicht zur Ware macht.
Die zehn Themen sind: Arbeitszeit, Arbeitslosigkeit, Armut, Bildung, Einkommen, Gesundheit, Klima, Reichtum, Rente und Wohnen. Sie sind jeweils in zwei Abschnitte unterteilt. Zuerst beschreibt Michael Mazohl jeweils die wirtschafts- und sozialpolitischen Fakten und Zusammenhänge zum Thema. Dies geschieht, da dieses Buch im Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) erschienen ist, am Beispiel Österreichs. Viele Verhältnisse und Trends sind aber auf andere Länder übertragbar, und viele Daten werden in den europäischen Rahmen eingeordnet, was weitere Nutzungsmöglichkeiten erschließt und Erkenntnisse ermöglicht. Diese Abschnitte enthalten viele Infografiken und am Ende eine Liste mit frei verfügbaren Quellen, meist vom AundW-Blog der Arbeiterkammer (https://awblog.at/). Danach schildert und kritisiert Natascha Strobl in verständlicher Sprache und souveräner Weise die kommunikativen Tricks und sprachlichen Strategien des »Klassenkampfs von oben«.
Mazohl ist ein engagierter und innovativer Mitarbeiter der Arbeiterkammer, Strobl eine der bekanntesten kritischen JournalistInnen Österreichs. Das Buch will durch die Aufbereitung seines Inhalts Geschlossenheit und Entschlossenheit unter seinen LeserInnen fördern, zu Solidarität und Protest ermuntern und zur Mobilisierung und zur Organisation anregen. Es zeigt auch die Unterscheide zwischen den beiden Staaten und ihrem jeweiligen ökonomischen System. So sind zum Beispiel in Österreich alle Betriebe gesetzlich an Tarifverträge gebunden, in Deutschland nicht. Hier sind mittlerweile nur noch deutlich weniger als die Hälfte aller Betriebe tarifgebunden.
Das meiste dürfte für Deutschland aber ähnlich sein, etwa dass 42 Prozent der Wohnbevölkerung in Wien im Alter zwischen 25 und 44 Jahren kein Wahlrecht haben, aufgrund der fehlenden österreichischen Staatsbürgerschaft - oder dass es beim Vermögen keinen eigentlichen Mittelstand gibt, da dieses extrem ungleich verteilt ist.
Mazohl und Strobl haben ein radikales, sehr nützliches, und leider notwendiges Buch vorgelegt. Es sollte seinen Weg in die Hände möglichst vieler GewerkschaftsaktivistInnen, Parteimitglieder und auch in die von KlimaaktivistInnen finden.
Bibliografische Angaben
Michael Mazohl/Natascha Strobl: Klassenkampf von oben. Angriffspunkte, Hintergründe und rhetorische Tricks; ÖGB-Verlag, Wien 2022, 268 Seiten, 29,90 Euro.
Video von der Buchpräsentation am 29. November 2022 in Wien: ▸https://www.oegbverlag.at/buchpraesentation-klassenkampf-von-oben-mit-natascha-strobl-und-michael-mazohl/
Bernd Hüttner ist Politikwissenschaftler. Er lebt und arbeitet in Bremen und ist Referent für Zeitgeschichte und Geschichtspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Webseite: www.bernd-huettner.de.