Hinweise
miese-jobs.de Nachrichtenüberblick 20/2018
11. Dezember 2018 | Markus Krüsemann
Leiharbeit, Minijobs, Befristungen, Niedriglöhne: Es gibt zu viele miese Jobs. Wir veröffentlichen alle 14 Tage einen Überblick über Nachrichten und Berichte zu solchen unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen. Das Topthema dieser Ausgabe: der Mindestlohn.
Mit dieser letzten Ausgabe für das Jahr 2018 verabschiedet sich der Nachrichtenüberblick. Wir bedanken uns bei allen Leserinnen und Lesern, die den Service in den letzten vier Jahren in Anspruch genommen haben, für ihr Interesse.
1] TOPTHEMA: MINDESTLOHN
Mit der bevorstehenden Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,84 auf 9,19 Euro häufen sich wieder die Medienberichte zur Lohnuntergrenze. Der Fokus der Berichterstattung liegt diesmal auf einem zentralen Schwachpunkt der Regelung: Der Mindestlohn ist zu niedrig, um die Beschäftigten aus dem Niedriglohnsektor zu holen, geschweige denn ihnen ein Einkommen zu ermöglichen, das eine armutsfeste Altersversorgung durch Lohnarbeit zulässt.
Für Alleinstehende ist der Mindestlohn ein Armutslohn. Auch wenn man in Vollzeit arbeitet, ist man damit gerade mal in der Nähe der Pfändungsfreigrenze. Für Alleinerziehende sieht es noch schlechter aus, da reicht es nur sehr selten, um die Miete und die anderen Lebenshaltungskosten ohne staatliche Unterstützung zu bestreiten. Kurzum, der Mindestlohn müsste kräftig angehoben werden, und der ökonomische Spielraum für eine stärkere Erhöhung ist auch vorhanden. Doch lesen Sie selbst...
12 Euro Mindestlohn sind machbar
Sahra Mirow, Landeschefin der Linken, warnt vor Konkurrenzdenken im Niedriglohnsektor - Wichtig sei ein »anständiger« Mindestlohn. »Gruppenunabhängig brauchen wir einen anständigen Mindestlohn, der bedarfsdeckend ist. «
Also: Wir brauchen 12 Euro Mindestlohn. »Ja. Eigentlich noch darüber. Und ich will daran erinnern: Die ganze Hysterie der Wirtschaft, die bei der Einführung des Mindestlohns vor dem großen Kollaps warnte, die war unbegründet. 12 Euro Mindestlohn sind machbar.«
Quelle: ▸Rhein-Neckar-Zeitung online vom 11.12.2018
So viel Mindestlohn wäre für Existenzminimum nötig
Wer als Alleinerziehender in Vollzeit arbeitet und dabei den Mindestlohn bezieht, erzielt in aller Regel ein Einkommen unterhalb des Hartz-IV-Regelsatzes. In allen Regionen Deutschland müsste der Mindestlohn deutlich höher sein, damit das gesetzliche Existenzminimum erreicht wird.
In mehr als der Hälfte der 401 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland müsste der Mindestlohn über zehn Euro liegen. In 20 Städten und Kreisen wären sogar über zwölf Euro Mindestlohn nötig.
Quelle: ▸InFranken.de vom 08.12.2018
Bofinger plädiert für höheren Mindestlohn
Der Ökonom Bofinger hat sich für einen höheren Mindestlohn ausgesprochen. In Deutschland gebe es einen deutlichen Spielraum, um den Mindestlohn stärker zu erhöhen als bisher, sagte er im Deutschlandfunk.
Die bisherigen Anhebungen hätten die gleiche Größenordnung wie die Inflationsrate. Dies sei deutlich zu wenig. Bofinger machte deutlich, dass ein höherer Mindestlohn den privaten Verbrauch ankurbeln könnte.
Quelle: ▸Deutschlandfunk.de vom 08.12.2018
Eine Blamage für die Wissenschaft
Für die tradierte Wirtschaftswissenschaft ist die Einführung des Mindestlohnes ein wissenschaftliches Waterloo. Sie hat nicht nur keine Erklärung dafür, weshalb die Prognosen ihrer Modelle derart weit neben der Realität liegen. Sie ist in ihrem analytischen Kern erschüttert.
Es dürfte interessant werden, wie die deutsche Arbeitsmarktforschung mit ihrem kompletten Versagen in der Mindestlohndebatte umgeht – bislang verhält sie sich nach dem Motto: ‚Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?‘
Quelle: ▸FR online vom 06.12.2018
Alleinerziehende haben selbst mit Vollzeit-Job weniger als Hartz-IV
Alleinerziehende verdienen selbst in Vollzeit in der Regel ein Einkommen unterhalb des Hartz-IV-Regelsatzes, wenn sie nur den Mindestlohn bekommen.
Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt, dürfte ein Mindestlohnempfänger mit einem Kind unter sechs Jahren maximal 336 Euro für Miete und Nebenkosten ausgeben, um nicht auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein.
Quelle: ▸Augsburger Allgemeine online vom 06.12.2018
Der Mindestlohn muss deutlich steigen
Zwar soll der Mindestlohn (...) bis 2020 in zwei Stufen auf dann 9,35 Euro steigen. Doch diese wenigen Cent mehr reichen für Arbeitnehmer nicht aus, um Preissteigerungen abzufedern, ihre Existenz zu sichern und vor allem fürs Alter vorzusorgen.
Das konstatiert selbst die Bundesregierung, die eine Mindestlohnhöhe von 12,63 Euro ausgerechnet hat, die nötig wäre, damit Beschäftigte in Vollzeit später eine Rente über Grundsicherungsniveau bekommen und vor Altersarmut geschützt sind.
Quelle: ▸Handelsblatt online vom 04.12.2018
Verfallklausel und Mindestlohn – das BAG zu einer Gretchenfrage
»Sag, wie hältst Du’s mit dem Mindestlohn?« Wer immer in den letzten Jahren arbeitsvertragliche Verfallklauseln zu gestalten hatte, sah sich unvermittelt dieser Frage gegenüber. Das BAG hat sie nun am 18.09.2018 (Az. 9 AZR 162/18) geklärt.
Verfallklauseln in Arbeitsverträgen, die ab dem 01.01.2015 abgeschlossen werden, müssen den gesetzlichen Mindestlohn von ihrem Geltungsbereich ausnehmen, anderenfalls sind sie wegen Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB insgesamt unwirksam.
Quelle: ▸Blog.Handelsblatt.com vom 03.12.2018
2] WEITERE BERICHTE
Kurzfristige Minijobs: Ausweitung der Zeitgrenze bleibt auch 2019
Galt bis zum Jahr 2015 eine Zeitgrenze für die kurzfristigen Minijobs von zwei Monaten oder 50 Arbeitstagen, so hatte der Gesetzgeber für die Jahre danach eine zeitweise Ausweitung der Grenzen festgelegt auf drei Monate oder 70 Arbeitstage.
Diese sollte eigentlich Ende 2018 auslaufen, so dass die alten Grenzen wieder greifen. Die Bundesregierung hat sich nun allerdings nach Angaben der Minijob-Zentrale entschieden die Ausweitung fortzuführen.
Quelle: ▸Deutsche Handwerks Zeitung online vom 10.12.2018
Überdurchschnittliche viele Migranten im Niedriglohnsektor beschäftigt
Im Durchschnitt werden in der Europäischen Union und den Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein Viertel dieser Jobs von Migranten ausgeübt. In Deutschland sind es 40 Prozent.
Die Studie zeigt auch, dass viele gut ausgebildete Migranten in Berufen arbeiten müssen, für die sie eigentlich überqualifiziert sind.
Quelle: ▸Zeit online vom 09.12.2018
Thüringen: Mehr Menschen haben zwei Jobs
In Thüringen haben nach Angaben von Experten immer mehr Menschen einen zweiten Job. Verdienten sich 2013 rund 30 500 Menschen zum Ersteinkommen etwas durch einen geringfügig entlohnten Job dazu, waren es in diesem Jahr 35 700 Menschen und somit 5200 mehr.
Die Gründe seien vielfältig. Dazu zählten ein geringes Einkommen, Lücken durch Teilzeit sowie größere finanzielle Vorhaben und Anschaffungen. Die meisten Nebenjobber arbeiten im Tourismus, in der Gastronomie, im Büro und in Reinigungsberufen.
Quelle: ▸Thüringer Allgemeine online vom 09.12.2018
Weg aus Niedriglohnsektor für Ostdeutsche besonders schwer
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen arbeiten 36 Prozent der Erwerbstätigen im Niedriglohnsektor. Das habe verschiedene Gründe (...). Deutlich weniger Arbeitnehmer seien gewerkschaftlich organisiert. (...) Außerdem sei die Größe der Unternehmen relevant:
Bleibt die Frage: Wie kommt man raus aus dem Niedriglohn? Indem man einen Arbeitgeber findet, der mehr zahlt als 10 Euro die Stunde. Und genau das sei eben nicht so einfach, sagt Irene Dingeldey vom Institut für Arbeit und Wirtschaft.
Quelle: ▸MDR.de vom 08.12.2018
Keine Angst!
Ein Dauerbrenner in Sachen Angstmache lautet: Höhere Löhne vernichten Jobs. Das stimmt so zum Glück nicht, wie eine Datenanalyse, die am Freitag veröffentlicht wurde, recht eindrucksvoll zeigt.
So stagnierten die Reallöhne in den Jahren von 2000 bis 2008, was keineswegs einen Jobboom ausgelöst hat. (...) In den folgenden Jahren sind die Reallöhne dann um zehn Prozent gestiegen, und siehe da: Parallel dazu hat sich die Zahl der Menschen mit einem sozialversicherungspflichtigen Job um satte 4,5 Millionen erhöht.
Quelle: ▸neues deutschland online vom 08.12.2018
Wer ab 2019 befristete Teilzeit nehmen kann
Bisher konnten Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit zwar verringern, sie später aber nicht einfach wieder aufstocken. Das ändert sich zum 1. Januar 2019. Mit der Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBFG) kommt (...)das Recht, ohne Gründe nennen zu müssen, zeitlich befristet weniger zu arbeiten.
Von den rund 37 Millionen deutschen Arbeitnehmern haben etwa 22 Millionen das Recht auf Brückenteilzeit. Nämlich jene, die 1. in Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitern arbeiten und 2. länger als sechs Monate in einem Unternehmen beschäftigt sind.
Quelle: ▸Impulse.de vom 07.12.2018
Mehr als ein Fünftel der langjährig Versicherten erhält nur Niedrigrente
Wie die Böckler-Stiftung am Donnerstag auf der Grundlage einer Untersuchung der Universität Duisburg-Essen mitteilte, sind in erster Linie Frauen betroffen - sei es wegen langjähriger Teilzeit oder langer Kindererziehungszeiten.
Das IAQ forderte zur Verbesserung der Lage einen »stärkeren sozialen Ausgleich« in der Rentenversicherung. Zudem würde eine »vollzeitnahe Beschäftigung bei guter Bezahlung« den Betroffenen helfen.
Quelle: ▸Focus online vom 06.12.2018
Diskussion um geplanten Landesmindestlohn
Herr Neumann-Redlin. Sie sprechen als Vertreter der Unternehmer. (...) Die Bremer SPD-Fraktion will einen Landesmindestlohn von 10,93 Euro einführen. Was sagen Sie zu diesem Beschluss?
»Der Landesmindestlohn suggeriert, Probleme zu lösen, was er nicht kann. Aus unserer Sicht ist er zutiefst unsozial. (...) Wir wollen Armut und Altersarmut vermeiden. Das schafft ein zu hoher Mindestlohn nicht.«
Quelle: ▸Weser Kurier online vom 05.12.2018
Wenn die Rente nicht zum Leben reicht
Trotz wirtschaftlicher Spitzenwerte steigt die Zahl der Menschen, die von ihrer Rente nur schwer leben können. (...) »Nach Mikrozensus-Daten des Statistischen Bundesamtes 2017 waren 16 Prozent der Rentner und Pensionäre von Altersarmut betroffen«.
Und gibt es »Gebiete« in Deutschland, wo die Altersarmut besonders ausgeprägt ist? Nach Ansicht von Butterwegge sind es die Landstriche, wo die Arbeitslosigkeit hoch und die Löhne niedrig waren. Das sei zum Beispiel in Ostdeutschland so gewesen.
Quelle: ▸Frankfurter Neue Presse online vom 05.12.2018
Beim Krankengeld gehen Minijobber leer aus
Das Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, das bei längeren Erkrankungen als Lohnersatzleistung erfolgt. (...) Da Minijobs versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, können aus der geringfügigen Beschäftigung grundsätzlich keine Krankengeld-Ansprüche entstehen.
Bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind Minijobber aber »herkömmlichen« Arbeitnehmern nahezu gleichgestellt. Der Arbeitgeber ist hier in der Pflicht, den Lohn bis zu sechs Wochen unverändert lang weiter zu zahlen.
Quelle: ▸Focus online vom 04.12.2018
Sachsens Männer arbeiten immer häufiger Teilzeit
Fast jeder dritte Sachse arbeitet in Teilzeit. Das ist ein neuer Rekord. Obwohl vorwiegend Frauen in Teilzeit beschäftigt sind, wird das Arbeitszeitmodell auch bei Männern immer beliebter.
Allein in den letzten zwölf Monaten ist nach Berechnungen der Landesarbeitsagentur die Teilzeitbeschäftigung von Männern mehr als doppelt so kräftig gestiegen wie die der Frauen. Wobei klassische Halbtagsjobs ebenso unter Teilzeit fallen wie die 32-Stunden-Woche.
Quelle: ▸Leipziger Volkszeitung online vom 04.12.2018
Jedem dritten Beschäftigten droht eine Mini-Rente
12,8 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden – so, wie sie heute arbeiten – nur eine Rente unterhalb der staatlichen Grundsicherung bekommen. Und das, wenn sie nach immerhin 45 Berufsjahren in den Ruhestand gingen.
Das sind bundesweit 42 Prozent aller Beschäftigten, die in Vollzeit, Teilzeit oder ausschließlich geringfügig arbeiten. (...) Dies geht aus einer Renten-Analyse des Pestel-Instituts hervor. Die Wissenschaftler aus Hannover haben dabei für die Gewerkschaft NGG amtliche Statistiken ausgewertet.
Quelle: ▸lifePR.de vom 03.12.2018
Hartz IV und Niedriglohn: Schiefe Vergleiche
Die »Bild«-Zeitung spielt Niedriglöhner gegen Hartz-IV-Empfänger aus. Das ist manipulativ und lenkt von der Lohnproblematik ab.
Doch die Vergleiche sind schief. (...) Es ist eine beliebte Masche, immer nur das Arbeitsentgelt eines Alleinverdieners den Hartz-IV-Bezügen für eine ganze Familie gegenüberzustellen und die Schräglage zu beklagen.
Quelle: ▸taz.de vom 30.11.2018
Millionen Menschen arbeiten in Vollzeit zu Niedriglohn
4,2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in Vollzeit zu einem Niedriglohn. (...) Diese Arbeitskräfte verdienen dem Bericht zufolge weniger als zwei Drittel des mittleren Lohns. Das sind derzeit 1733 Euro brutto im Osten und 2226 Euro in Westdeutschland.
Nach amtlichen Zahlen arbeitet rund jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Niedriglohn-Bereich.
Quelle: ▸Süddeutsche.de vom 30.11.2018
Jobwunder mit Teilzeitexperten
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Berlin steigt. (...) Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Das Betriebspanel 2017 liefert die Zahlen.
»Mehr als jede und jeder Fünfte in Berlin arbeitet in einem Minijob, in der Leiharbeit oder befristet«, schreibt Arbeits- und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) im Vorwort. Rechne man die Teilzeit dazu, arbeiten 39 Prozent der Berliner Beschäftigten nicht in einem Normalarbeitsverhältnis.
Quelle: ▸neues deutschland online vom 29.11.2018
3,5 Millionen Geringverdiener werden entlastet
Etwa 3,5 Millionen Geringverdiener in Deutschland werden ab Juli 2019 von der Anhebung der Verdienstgrenze für sogenannte Midijobber proftieren.
Die Zahl der Beschäftigten, die für ihren Verdienst nur einen Teil der üblichen Sozialbeiträge bezahlen müssen, werde durch den künftig bis zu einem Monatsgehalt von 1.300 Euro ausgeweiteten »Übergangsbereich« um 2,2 Millionen steigen.
Quelle: ▸Ihre-Vorsorge.de vom 29.11.2018
Jeder zweite Deutsche will weniger arbeiten
Jeder zweite Beschäftigte möchte kürzer arbeiten als bisher. (...) Es gibt aber auch das Gegenteil. Fast jeder achte Beschäftigte möchte beruflich stärker ran, darf aber nicht. Dies ist vor allem bei Teilzeitbeschäftigten und Geringverdienern der Fall, deren Lohn nicht genügt, um über die Runden zu kommen.
Forscher der Uni Duisburg-Essen stellten bereits vor Jahren fest, dass die Arbeitszeiten von Gut- und Geringverdienern auseinandergehen, was die finanzielle Ungleichheit in Deutschland verstärkt.
Quelle: ▸Süddeutsche.de vom 29.11.2018
Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Göttinger Institut für Regionalforschung. Unter www.miese-jobs.de betreibt er ein Informationsportal zu atypischen und prekären Beschäftigungsformen.