Produktivität erklärt Löhne nicht
12. Dezember 2019 | Blair Fix
Lässt sich das Einkommen von Menschen durch deren Produktivität erklären? Ich habe diese Frage in einem früheren Beitrag gestellt. Meine Antwort war ein klares Nein. In diesem Beitrag werde ich tiefer in die Gründe dafür einsteigen. Ich konzentriere mich dabei auf die Löhne.
Der Beweis
Beginnen wir mit den Belegen, die üblicherweise als Beweis dafür angeführt werden, dass die Produktivität von Menschen deren Löhne erkläre. Betrachtet man Unternehmen, so stellt man fest, dass der Umsatz pro Mitarbeiter mit den Durchschnittslöhnen korreliert. Abbildung 1 zeigt diese Korrelation für etwa 50.000 US-Unternehmen in den Jahren 1950 bis 2015.
Abbildung 1: Der Zusammenhang zwischen den Durchschnittslöhnen eines Unternehmens und seinem Umsatz pro Mitarbeiter. Die Daten stammen von Compustat. Zur Inflationsbereinigung habe ich die Löhne und die Verkäufe pro Arbeiter durch die jeweiligen Durchschnitte jedes Jahres geteilt.
Mainstream-Ökonomen ziehen diese Korrelation als Beweis dafür heran, dass die Produktivität die Löhne erkläre. Umsätze, sagen sie, messen die Produktion von Unternehmen. Der Umsatz pro Mitarbeiter zeige also die Arbeitsproduktivität eines Unternehmens an. So soll also Abbildung 1 zeigen, dass das Arbeitseinkommen zumindest überwiegend von der Produktivität abhängt. Fall abgeschlossen.
Das Problem
Ja, der Umsatz pro Mitarbeiter korreliert mit den Durchschnittslöhnen. Niemand bestreitet das. Was ich bestreite, ist, dass diese Korrelation etwas über die Produktivität aussagt. Das Problem ist einfach: Der Umsatz pro Mitarbeiter misst nicht die Produktivität. Lassen Sie uns einen Blick in das Buchhaltungswesen werfen, um dieses Problem zu verstehen. Der Umsatz eines Unternehmens entspricht dem Stückpreis des Produkts des Unternehmens, multipliziert mit der Absatzmenge dieses Produkts:
Umsatz = Stückpreis x Absatzmenge
Dividieren wir beide Seiten durch die Zahl der Beschäftigten des Unternehmens, so ergibt sich:
Umsatz je Mitarbeiter = Stückpreis x Absatzmenge je Mitarbeiter
Lassen Sie uns diese Gleichung genauer ansehen. Die »Absatzmenge je Mitarbeiter« misst die Arbeitsproduktivität. Diese Zahl gibt uns die Leistung des Unternehmens pro beschäftigter Person an. Zum Beispiel kann ein Betrieb 10 Tonnen Kartoffeln pro Mitarbeiter herstellen. Wenn ein anderer Betrieb 15 Tonnen Kartoffeln pro Mitarbeiter schafft, produziert er eindeutig mehr (vorausgesetzt, die Kartoffeln sind gleich).
Wenn wir den Umsatz zur Messung der Produktivität eines Unternehmens heranziehen, so bringt dies das Problem mit sich, dass die Preise im Weg stehen. Nehmen wir einmal an, dass zwei Betriebe, Old McDonald's und Spuds-R-Us, beide 10 Tonnen Kartoffeln pro Mitarbeiter herstellen. Als nächstes nehmen wir an, dass Old McDonald's seine Kartoffeln für 100 Euro pro Tonne verkauft. Spuds-R-Us verkauft seine Kartoffeln jedoch für 200 Euro pro Tonne. Im Ergebnis ist der Umsatz je Mitarbeiter von Spuds-R-Us doppelt so hoch wie der von Old McDonald's. Wenn wir den Umsatz mit der Produktivität gleichsetzen, dann scheint es, dass die Beschäftigten von Spuds-R-Us doppelt so produktiv sind wie die von Old McDonald's. Aber das sind sie nicht. Wir wurden von den Preisen in die Irre geführt.
Die Lösung für dieses Problem scheint auf den ersten Blick einfach zu sein. Anstatt den Umsatz zur Messung der Produktion zu verwenden, sollten wir die Produktion eines Unternehmens direkt messen. Zählen wir einfach, was das Unternehmen produziert – und das ist seine Leistung. Problem gelöst.
Warum aber messen Ökonomen den Output nicht auf diese Weise direkt? Weil die dafür notwendigen Bedingungen gravierend sind. Tatsächlich sind sie so gravierend, dass sie in der realen Welt fast nie vorzufinden sind. Lassen Sie uns diese Bedingungen durchgehen.
Bedingung 1: Betriebe müssen identische Produkte herstellen
Um die Produktivität objektiv zu vergleichen, muss man Unternehmen finden, die das gleiche Produkt herstellen. Man kann beispielsweise die Produktivität zweier Betriebe vergleichen, die (identische) Kartoffeln produzieren. Sobald aber die Betriebe verschiedene Dinge herstellen, hat man Pech. Der Grund dafür: Wenn Unternehmen verschiedene Waren oder Dienstleistungen produzieren, braucht man eine gemeinsame Dimension, um deren Produktion miteinander vergleichen zu können. Das Problem ist, dass unser Maß für die Produktion von der Wahl der Dimension abhängt.
Um das Problem zu verstehen, kehren wir zu unseren beiden Farmen Old McDonald's und Spuds-R-Us zurück. Angenommen, Spuds-R-Us produziert 10 Tonnen Kartoffeln pro Mitarbeiter. Old McDonald's ist es leid, Kartoffeln anzubauen, und produziert stattdessen 5 Tonnen Mais pro Mitarbeiter. Die Beschäftigten welcher Firma sind nun produktiver? Die Antwort hängt von der Dimension unserer Analyse ab.
Angenommen, wir vergleichen Kartoffeln und Mais hinsichtlich der Dimension »Masse«. Wir stellen dann fest, dass die Beschäftigten von Spuds-R-Us (die 10 Tonnen pro Person produzieren) produktiver sind als die Beschäftigten von Old McDonald's (die 5 Tonnen pro Person produzieren). Wir könnten aber Kartoffeln und Mais auch hinsichtlich der Dimension »Energiegehalt« vergleichen. Nehmen wir an, dass Mais eine doppelt so hohe Kaloriendichte hat wie Kartoffeln. Dann stellen wir fest, dass die Mitarbeiter von Spuds-R-Us (die die Hälfte der Lebensmittelmasse bei doppelter Kaloriendichte produzieren) die gleiche Arbeitsproduktivität haben wie die Mitarbeiter von Old McDonald's.
Was lernen wir daraus? Wenn zwei Unternehmen nicht die gleiche Ware produzieren, sind Produktivitätsvergleiche subjektiv. Sie sind abhängig von der Wahl der Dimension.
Bedingung 2: Die Produktion einer Firma muss zählbar sein
Liest man Wirtschaftslehrbücher, erkennt man schnell, dass die ökonomische Wissenschaft im 19. Jahrhundert stecken geblieben ist. Firmen, so sagen diese Lehrbücher, produzieren Dinge. Was aber ist mit all den Firmen, die nichts produzieren? Was ist ihre Produktion? Was ist zum Beispiel die Produktion von Goldman Sachs? Was ist die Produktion einer High School? Was ist die Produktion eines Krankenhauses? Was ist die Produktion einer Anwaltskanzlei? Diese Institutionen machen Dinge. Aber es wäre widersinnig, diesen Aktivitäten eine »Einheitsmenge« geben zu wollen. Mit anderen Worten, es wäre widersinnig, die Leistung dieser Institutionen zu quantifizieren.
Bedingung 3: Firmen dürfen nur eine einzige Ware herstellen
Erschwerend kommt hinzu, dass wir die Produktion nur dann objektiv messen können, wenn Unternehmen nur eine einzige Ware produzieren. Wenn ein Unternehmen hingegen zwei (oder mehr) Waren produziert, wird seine von uns gemessene Produktion dadurch beeinflusst, wie wir die Waren rechnerisch zusammenführen. Um diesen Punkt zu verdeutlichen, kehren wir zu Old McDonald's und Spuds-R-Us zurück. Angenommen, beide Betriebe haben ihre Produktion diversifiziert. Spuds-R-Us produziert 5 Tonnen Kartoffeln und 1 Tonne Mais pro Mitarbeiter. Bei Old McDonald's sind es 1 Tonne Kartoffeln und 5 Tonnen Mais. Welche Mitarbeiter sind nun produktiver?
Die Antwort hängt von unserer Analyse-Dimension ab. Bezogen auf die Masse produzieren beide Betriebe 6 Tonnen Lebensmittel pro Mitarbeiter. Die Arbeitsproduktivität erscheint also gleich. Aber nehmen wir an, wir messen den Energieertrag. Auch hier gehen wir davon aus, dass Mais eine doppelt so hohe Kaloriendichte hat wie Kartoffeln. Angenommen, Mais enthält 2 Gigajoule pro Tonne, während Kartoffeln 1 Gigajoule pro Tonne enthalten. Jetzt stellen wir fest, dass die Beschäftigten von Old McDonald's etwa 60 Prozent produktiver sind als die Beschäftigten von Spuds-R-Us. Hier ist die Rechnung:
Spuds-R-Us:
5 Tonnen Kartoffeln x 1 Gigajoule je Tonne + 1 Tonne Mais x 2 Gigajoule je Tonne = 7 Gigajoule
Old McDonald’s:
1 Tonne Kartoffeln x 1 Gigajoule / Tonne + 5 Tonnen Mais x 2 Gigajoule / Tonne = 11 Gigajoule
Dieses »Aggregationsproblem« ist der Grund dafür, dass die neoklassische Theorie der Einkommensverteilung von einer Welt mit nur einer Ware ausgeht – von einer Welt, in der jeder das Gleiche produziert und konsumiert. In dieser Ein-Waren-Welt können wir die Produktivität eindeutig messen. In der realen Welt (mit vielen Waren) hängt die Produktivität aber von unserer Wahl der Dimension ab.
Die Bedeutung des Problems
Lassen Sie uns einen Zwischenstand festhalten. Wenn wir Produktivität objektiv messen wollen, sind die Bedingungen dafür gravierend:
- Unternehmen, deren Produktivität wir vergleichen wollen, müssen die gleiche Ware produzieren.
- Diese Ware muss zählbar sein.
- Die Unternehmen dürfen nur diese eine Ware produzieren.
Diese Bedingungen sind so hart, dass sie in der realen Welt selten erfüllt werden. Das ist ein Problem für die neoklassische Theorie. Denn sie schlägt ja vor, dass sich das Einkommen aller Menschen durch deren Produktivität erklären lässt. Aber nur in den seltensten Fällen können wir die Produktivität überhaupt objektiv messen. Es ist schwer, über diese missliche Lage nicht zu lachen.
Der neoklassische Taschenspieler-Trick
Wirtschaftslehrbücher erwähnen nicht einmal die Probleme bei der Messung der Produktivität. In diesen Lehrbüchern scheint im neoklassischen Land alles gut zu sein. Aber es ist nicht alles gut. Neoklassische Ökonomen halten an ihrer Fantasie fest, indem sie sich auf einen Taschenspielertrick verlassen. Schauen wir uns an, was genau sie machen.
Erstens argumentieren sie, dass der Zweck aller wirtschaftlichen Aktivitäten darin bestehe, den Verbrauchern einen Nutzen anzubieten. Kaufen Sie eine Kartoffel – sie wird Ihnen nützlich sein. Kaufen Sie eine Zigarette – auch diese wird Ihnen nützlich sein. Nutzen, so sagen Ökonomen, ist die universelle Dimension der Produktion. Indem wir den Nutzen messen, können wir die Produktion aller Unternehmen vergleichen (unabhängig davon, was sie produzieren).
Nachdem sie verkündet haben, dass Nutzen die universelle Dimension der Produktion sei, spielen Ökonomen ihren Trick aus: Nutzen, so sagen sie, werde durch den Preis ausgedrückt. So habe ein Gemälde im Wert von 1000 Euro einen 1000 mal größeren Nutzen für den Käufer als eine Kartoffel im Wert von 1 Euro. Damit begründen die Ökonomen ihre Annahme, dass der Umsatz eines Unternehmens die Gesamtmenge des von ihm hergestellten Nutzens messe:
Umsatz = Stückpreis x Absatzmenge
Umsatz = Stückpreis x Absatzmenge = Gesamtnutzen
So werden Umsätze zum universellen Maß für den Nutzen, und der Nutzen wiederum zum universellen Maß für die Produktion. Wenn Ökonomen nun die Umsätze pro Mitarbeiter mit den Löhnen vergleichen (wie in Abbildung 1), dann behaupten sie zugleich, dass sie die Produktivität mit den Löhnen vergleichen. Nur, dass sie genau das eben nicht tun.
Das Problem ist, dass diese ganze Argumentation einem Zirkelschluss unterliegt. Die Idee, dass Preise den Nutzen zum Ausdruck bringen, ist erst einmal nur eine Hypothese. Und wie jeder gute Wissenschaftler weiß, kann man seine Hypothese nicht dazu verwenden, seine Hypothese zu testen. Aber das ist es, was neoklassische Ökonomen tun. Sie gehen davon aus, dass ein Aspekt ihrer Theorie wahr ist (der Zusammenhang zwischen Preisen und Nutzen), um einen anderen Aspekt ihrer Theorie zu testen (die Verbindung zwischen Produktivität und Einkommen).
Warum greifen Ökonomen auf diese zirkuläre Argumentation zurück? Wahrscheinlich, weil sie nicht wissen, dass sie zirkulär ist. Sie halten die Idee, dass Preise den Nutzen zum Ausdruck bringen, für eine Erkenntnis. Aber das ist nur eine Hypothese. Und es ist eine schlechte Hypothese. Warum? Weil wir den Nutzen nie unabhängig von den Preisen messen können.
Warum gibt es einen Zusammenhang zwischen Umsätzen und Löhnen?
Wann immer ich wie oben argumentiere, werden Mainstream-Ökonomen mir antworten: »Aber schau dir den Zusammenhang zwischen Umsätzen und Löhnen an! Er zeigt klar, dass Löhne durch die Produktivität erklärt werden können.« Ihre Annahme scheint zu sein, dass diese Korrelation (mangels einer alternativen Erklärung) ihre Hypothese stützen müsse.
In meinem Artikel ▸»Produktivität erklärt Einkommen nicht« habe ich dafür eine alternative Erklärung gegeben. Der Zusammenhang zwischen den Löhnen und den Umsätzen pro Mitarbeiter, so argumentierte ich dort, ergibt sich zwingend aus Grundsätzen der Buchhaltung.
Umsätze messen keine Produktion. Sie sind Einnahmen. Einmal eingenommen, wird dieses Geld von der Firma in verschiedene Kategorien aufgeteilt. Einiges davon geht an die Beschäftigten. Einiges geht an andere Firmen (als Nicht-Arbeitskosten). Und einiges geht an die Firmenbesitzer als Profit.
Abbildung 2: Die Aufteilung der Einnahmen eines Unternehmens in Gewinne und Löhne. Es ist eine Grundlage der Buchhaltung, dass die Umsätze eines Unternehmens in Gewinne und Löhne aufgeteilt werden.
Per Definition müssen die Summen auf der linken Seite den Summen auf der rechten Seite entsprechen. So ist es nicht verwunderlich, dass wir einen Zusammenhang zwischen Löhnen und Umsatz finden. Der Zusammenhang stellt eine buchhalterische Identität dar.
In Kommentaren zu meinem Artikel »Produktivität erklärt Einkommen nicht« stießen einige Ökonomen auf dieses Argument und sagten, es sei komplett daneben. Und im Nachhinein gebe ich zu, dass meine Argumentation nicht klar genug war. Denn ich dachte über die reale Welt nach. Aber die Ökonomen, die meine Argumentation kritisierten, dachten in reiner Mathematik.
Um diesen Punkt anschaulich zu machen, denken wir vielleicht mal an etwas Konkreteres als das Einkommen. Denken wir an das Volumen eines Objekts. Grob gesagt, ist das Volumen eines Objekts das Produkt aus seiner Länge, Breite und Höhe:
V = L x B x H
Nun, wählen wir eine Dimension aus – sagen wir die Länge. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Länge eines Objekts und seinem Volumen? Im Allgemeinen: nein. Ich kann ein Objekt mit beliebigem Volumen und beliebiger Länge herstellen. Ich muss nur die anderen Dimensionen (Breite, Höhe) entsprechend anpassen. Auf diese Weise kann ich einen Würfel herstellen, der das gleiche Volumen hat wie eine Box, die lang und dünn ist. Rein mathematisch betrachtet gibt es also keinen Zusammenhang zwischen Länge und Volumen.
Aber wenn wir uns realen Objekten widmen, wie etwa Tieren, dann werden wir sehr wohl einen Zusammenhang finden. Wenn wir alle Tierarten auf der Erde nehmen und ihre Länge ins Verhältnis zu ihrem Volumen setzen, so dürfen wir einen engen Zusammenhang zwischen beiden erwarten. Ein Bakterium hat eine kleine Länge und ein kleines Volumen. Ein Blauwal hat eine große Länge und ein großes Volumen.
Der Grund für diesen Zusammenhang ist, dass Tiere nicht irgendeine beliebige Form annehmen können. Sie werden nie ein Tier finden, das eine Meile lang und ein paar Mikrometer breit ist. So ein Tier gibt es nicht. Ja, die Formen der Tiere sind unterschiedlich. Aber im Großen und Ganzen ist diese Variation klein.
Wenn man diese Beschränkung hinsichtlich der Form berücksichtigt, ergibt sich aus der Definition des Volumens, dass die Länge der Tiere mit dem Volumen der Tiere korrelieren sollte. Wir wären erstaunt, wenn es nicht so wäre.
Genau das gilt aber auch für den Zusammenhang zwischen dem Umsatz pro Mitarbeiter und den Löhnen. Dieser Zusammenhang ergibt sich zwar nicht alleine aus der Buchhaltung. Er geht vielmehr auch auf die Tatsache zurück, dass Unternehmen nicht irgendeine »Form« annehmen können. Wir werden keine Unternehmen finden, die ihren Beschäftigten nichts bezahlen. Das wäre Sklaverei und illegal. Ebenso finden wir keine (oder kaum) Unternehmen, die ihren Mitarbeitern den gesamten Umsatz ausbezahlen. Denn das ließe keinen Raum für Profite.
In der realen Welt sind die Möglichkeiten, wie Unternehmen ihre Einnahmen aufteilen können, also beschränkt. In Abbildung 3 stelle ich die Verteilung der Anteile von Löhnen am Umsatz dar. Gezeigt wird also jener Teil des Umsatzes eines Unternehmens, der an die Mitarbeiter geht. Über alle Unternehmen hinweg liegt dieser Wert zumeist in der Nähe von etwa 25 Prozent.
Abbildung 3: Die Verteilung der Anteile von Löhnen am Umsatz. Die Daten (US-Unternehmen in den Jahren 1950-2015) sind der Compustat-Datenbank entnommen.
Ja, theoretisch kann ein Unternehmen einen beliebig großen Teil seines Umsatzes an seine Mitarbeiter weitergeben. Aber das ist nicht das, was in der Realität passiert. In der realen Welt bezahlen die meisten Unternehmen ihren Beschäftigten zwischen 10 Prozent und 50 Prozent des Umsatzes. Genau wie bei der Form von Tieren gibt es auch bei der »Form«, die Unternehmen annehmen können, reale Einschränkungen.
Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass wir einen Zusammenhang zwischen dem Umsatz pro Mitarbeiter und den Löhnen finden. Wenn die Einnahmen eines Unternehmens wachsen, steigt auch die Summe, die an die Beschäftigten geht.
Das hat nichts mit Produktivität zu tun. Es geht alleine um die Einnahmen. Aus Verkäufen resultieren die Einnahmen der Firma. Und die Löhne sind der Teil dieser Einnahmen, der den Arbeitern gewährt wird.
Die bösen Preise
Lassen Sie uns diesen Streifzug durch das neoklassische Denken abschließen. Der Grund dafür, dass der Umsatz nicht die Produktion eines Unternehmens misst, ist, dass hier die Stückpreise mit der Absatzmenge vermischt werden. Ja, der Umsatz pro Mitarbeiter korreliert mit dem Lohn. Aber der Preis ist ein Bösewicht. Ein höherer Umsatz kann auf eine größere Produktion zurückzuführen sein. Er kann aber auch an höheren Stückpreisen liegen.
In vielen Fällen sind Preisunterschiede entscheidend.
Stellen Sie sich vor, dass ein Anwalt und ein Hausmeister beide als selbständige Unternehmer 40 Stunden pro Woche arbeiten. Der Anwalt berechnet 1000 Euro pro Stunde, während der Hausmeister 20 Euro verlangt. Am Ende der Woche verzeichnet der Anwalt 50 Mal mehr Umsatz als der Hausmeister. Dieser Unterschied resultiert alleine aus dem Preis. Der Anwalt berechnet für seine Dienstleistungen pro Stunde 50 Mal mehr als der Hausmeister.
Die Frage ist: Warum?
Neoklassische Ökonomen behaupten, sie hätten die Antwort. Der Anwalt, sagen sie, produziert 50 Mal mehr Nutzen als der Hausmeister. Fragen Sie Ökonomen, woher sie das wissen, so werden diese keine Miene verziehen und antworten: »Die Preise haben es gezeigt.« Es ist an der Zeit, diesen Taschenspielertrick als das zu erkennen, was er ist: eine Farce. Die Realität ist, dass wir praktisch nichts darüber wissen, was die Preise verursacht. Und wir werden weiterhin nichts wissen, solange Forscher an diese neoklassische Farce glauben.
Weiterführende Literatur
The Aggregation Problem: Implications for Ecological and Biophysical Economics. BioPhysical Economics and Resource Quality. 4(1), 1-15. SocArxiv Preprint.
Der Artikel erschien zuerst in einer etwas längeren, englischsprachigen Fassung auf dem Blog ▸»Economics from the Top Down«. Wir danken für die Genehmigung zur Zweitveröffentlichung. Ãœbersetzung: Patrick Schreiner. | Siehe auch den Vorgänger-Artikel ▸https://www.blickpunkt-wiso.de/post/produktivitaet-erklaert-einkommen-nicht--2336.html
Blair Fix ist ein politischer Ökonom aus Kanada mit besonderem Interesse am Energiesektor und an Einkommensungleichheit.