Schulreinigung: Mangelhafte Hygiene und prekäre Beschäftigung
22. September 2021 | Kai Eicker-Wolf
Ob in Berlin, Krefeld, Lüdenscheid, Pinneberg, Witten oder an vielen anderen Orten – eine unzureichende Schulreinigung war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema in Medien. Wesentlicher Grund dafür ist die Privatisierung von Reinigungsleistungen durch die Kommunen.
Die Gebäudereinigung ist mit gut 680.000 Beschäftigten (2019) das beschäftigungsstärkste Handwerk in Deutschland. Seit den 1970er Jahren ist hier ein großer Beschäftigungszuwachs erfolgt, und zwar wesentlich aufgrund der zunehmenden Auslagerung der Reinigung und deren Vergabe an private Dienstleistungsunternehmen durch öffentliche Einrichtungen und Kommunen.
Diese Privatisierungen haben – was die Motive angeht – zwei Seiten. Durch die öffentliche Hand wurde und wird die Privatisierung der Gebäudereinigung damit begründet, dass private Unternehmen wirtschaftlicher arbeiteten, weswegen die Reinigung der Schulgebäude unter dem Strich kostengünstiger sei. Und das Reinigungshandwerk hat ein Interesse daran, öffentliche Aufgaben zu übernehmen, weil sie sich hiervon Gewinne versprechen – zumal die öffentliche Hand verlässliche und kaum risikobehaftete Einnahmen garantiert.
Privatisierung der Gebäudereinigung und ihre Folgen für Qualität und Arbeitsbedingungen
Tatsächlich treten nach der Privatisierung meist erhebliche Qualitätsmängel bei der Reinigung auf, und außerdem verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung. Dies hängt im Wesentlichen mit der sehr hohen Wettbewerbsintensität in der Reinigungsbranche zusammen. Der Wettbewerb erfolgt vor allem über die Personalkosten, da diese bei über 70 Prozent liegen.
Im Wettbewerb um Aufträge versuchen Unternehmen der Reinigungsbranche in der Regel mit dem niedrigsten Preis erfolgreich zu sein. Über die sogenannte Flächenleistungsverdichtung werden die Angebotspreise gesenkt. Die kalkulierte Arbeitszeit wird verkürzt, indem der Preis bezüglich der Flächenleistung verringert wird. Die Arbeit wird dadurch massiv verdichtet, der Zeitdruck für die Reinigungskräfte nimmt zu und letztlich leidet so die Qualität der Leistung. Verbreitet sind zudem Vergütungen nach gereinigten Objekten, Räumen oder Flächen, für deren Reinigung zu wenig Zeit einkalkuliert wird (sogenannte »Objektlöhne«). Dies führt unter Umständen dazu, dass sogar der Mindestlohn unterlaufen wird, was einen Gesetzesverstoß darstellt.
Mit dem starken Branchenwachstum und dem zunehmenden Outsourcing ist zudem die Verlagerung der Arbeitszeiten in die Randzeiten des Tages einhergegangen: Gereinigt wird häufig frühmorgens, spätabends oder auch nachts. Dies führt auch zu einem Verfall von Wertschätzung, zu einer Verschlechterung der Arbeitszeiten und der Arbeitsbedingungen. Dass dies keineswegs zwingend ist, zeigt Skandinavien: Dort ist die Reinigung während des Tages im Gegensatz zu Deutschland eher der Normalfall.
In der Reinigungsbranche dominieren geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (sogenannte Minijobs, 33,5 Prozent im Jahr 2018) bzw. kleine Teilzeitbeschäftigungen mit Arbeitszeiten am Rande des Tages oder in der Nacht. Nach dem Einzelhandel und der Gastronomie ist die Gebäudereinigung die Branche mit den meisten geringfügig entlohnten Beschäftigten. Hiervon haben fast 40 Prozent zusätzlich einen sozialversicherungspflichtigen Job, befristete Verträge sind stark verbreitet. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitskräfte arbeitet trotz allgemeinverbindlicher Mindestlöhne im Niedriglohnsektor. Etwas mehr als die Hälfte aller Unternehmen (54 Prozent) beschäftigt weniger als 5 Arbeitskräfte. Lediglich in knapp 9 Prozent der Unternehmen sind 50 und mehr Personen tätig. Entsprechend stark konzentrieren sich auch die Umsätze: 629 Unternehmen im Reinigungshandwerk – das sind 2,6 Prozent aller Reinigungsunternehmen – erzielen 54 Prozent des gesamten Branchenumsatzes.
Die Lage an den Schulen
Mit dem Ausbruch der Corona-Krise ist die hygienische Situation in den Schulen in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Die meisten Schulträger haben darauf reagiert – so etwa mit Desinfektionsmittel, zusätzlichem Geld für Reparaturen der Sanitäranlagen und Präsenz-Reinigungskräften für Schultoiletten. Dies hat in der Regel zu spürbaren Verbesserungen geführt.
Das Problem von unsauberen Schulen ist allerdings schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie in der öffentlichen Berichterstattung präsent gewesen – und dieses Problem verlangt langfristig angelegte Lösungen. So wurde in den vergangenen Jahren immer wieder darüber berichtet, dass Kinder aufgrund von Hygienemängeln den Gang auf die Schultoilette scheuen. Bauliche und hygienische Unzulänglichkeiten gehen hier häufig Hand in Hand. Dabei sind verdreckte und stinkende Schultoiletten nur die Spitze des Eisbergs, denn Klagen über eine unzureichende Reinigung waren und sind auch mit Blick auf Klassen- und Lehrerzimmer oder Sporthallen zu hören.
Wie groß das Problem ist, zeigt eine bundesweite und repräsentative Umfrage im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus dem vergangenen Jahr. Gut 70 Prozent der Befragten teilten die Einschätzung, dass die hygienische Grundausstattung an Schulen vor der Corona-Pandemie durch die Politik vernachlässigt wurde. Und knapp 80 Prozent sind der Auffassung, dass die Schulen auch über die Pandemie hinaus stärker auf die hygienischen Grundvoraussetzungen achten sollten.
Beispiel Stadt Frankfurt/Main
Ein besonders negatives Beispiel für die Folgen der Privatisierung der Schulreinigung ist die Stadt Frankfurt – hier taucht das Thema dreckiger Schulen immer wieder in der Presse auf. So meldete sich im April des vergangenen Jahres des Personalrat der Paul-Hindemith-Schule zu Wort: Handtücher, Seife und Toilettenpapier fehlten in den Sanitäranlagen, Lehrkräfte müssten ihr eigenes Klopapier mitbringen, ein Schüler habe sich wegen einer toten Maus in der Toilette übergeben müssen – und generell würden die verdreckten Sanitäranlagen von den meisten Schülerinnen und Schüler gemieden.
Ende April dieses Jahres geriet die Schulreinigung der Stadt Frankfurt dann wieder in Schlagzeilen. Im Rahmen einer Großrazzia im Rhein-Main-Gebiet hatten Zoll und Steuerfahndung Ende April einen Schwarzarbeitsring zerschlagen. Involviert in diesen war die Firma APEG Gebäude-Service GmbH, deren Geschäftsbetrieb infolge der Razzia zum Erliegen kam. Die Firma hatte ausschließlich Aufträge der Stadt Frankfurt erfüllt, dabei wurden mehr als 50 – und damit rund ein Drittel – der Schulen im Frankfurter Stadtgebiet gereinigt. Zwar nicht an allen, aber doch an einigen dieser Schulen kam es zu Problemen mit der Schulreinigung. An der Schule von Laura Preusker, die an der Münzenberger Schule unterrichtet und Vorsitzende des GEW-Bezirksverbands Frankfurt ist, fiel die Reinigung für rund 14 Tage fast vollkommen aus: »Nur unsere Corona-Präsenzreinigungskraft war noch da. Die Toiletten haben so sehr gestunken, dass die Kinder nicht mehr aufs Klo gehen wollten. So etwas ist in Anbetracht von Covid-19 eigentlich kaum zu glauben. Ich frage mich, ob meine Schule nicht eigentlich aufgrund hygienischer Mängel hätte geschlossen werden müssen.«
Das in Frankfurt zuständige Dezernat für Bauen und Immobilien – Leiter ist (noch) der CDU-Kreisvorsitzende Jan Schneider – hat die Öffentlichkeit über diesen Sachverhalt nicht aufgeklärt. Erst Recherchen und eine entsprechende Pressemitteilung der GEW Hessen haben diesen Skandal, der dann auch die Stadtverordnetenversammlung beschäftigte, öffentlich gemacht.
Beispiel Landkreis Kassel
Der Landkreis Kassel reinigt alle seine Schulen mit eigenen Arbeitskräften, die nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen bezahlt werden. Allerdings stand der Landkreis zwischenzeitlich unter Druck, dies zu ändern: Der Hessische Rechnungshof hatte ihm empfohlen, seine Schulreinigung zu privatisieren, da dies günstiger sei. Der so erzeugte politische Druck war so groß, dass ein Pilotprojekt durchgeführt wurde, so Katja Groh, die an einer Grundschule im Landkreis unterrichtet: »Die Qualität der Schulreinigung im Rahmen des Pilotprojekts war allerdings so schlecht, dass der Landkreis zum Glück von der Idee der Privatisierung Abstand genommen hat. Wäre unser Schulträger der Empfehlung des Hessischen Rechnungshofs gefolgt, dann hätten wir hier jetzt die gleichen Probleme wie in der Stadt Kassel, die als eigenständiger Schulträger ja seine Schulreinigung privatisiert hat. Der hygienische Zustand der Schulen dort ist in der Regel miserabel.« Auch wenn den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern im Landkreis Kassel dies erspart geblieben sei, so Katja Groh, sei auch dort nicht alles optimal: »Die Vorgaben für das beim Kreis beschäftigte Reinigungspersonal sind nach meiner Auffassung viel zu streng. Den Reinigungskräften fehlt bei den bestehenden Vorgaben natürlich auch die Zeit für eine gründliche Reinigung. Und wenn eine Reinigungskraft ausfällt, dann bleibt es dreckig. Oder die anderen Reinigungskräfte an der Schule müssen im gleichen Zeitrahmen die Räume ‚mitübernehmen‘. Entsprechend weniger Zeit bleibt für alles. Was dann liegenbleibt, muss ich übernehmen. Das ist keine Lösung! Der Landkreis muss Personalreserven für Krankheitsfälle und andere Ausfälle vorhalten. Ich bin mir für solche Arbeiten grundsätzlich nicht zu schade. Aber das gehört einfach nicht zu meinen Aufgaben. Ich werde dafür bezahlt, Kinder zu unterrichten!«
Eine frühere Fassung des Artikels erschien zuerst in der HLZ - Mitgliederzeitschrift der GEW Hessen. Wir danken für die Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.
Kai Eicker-Wolf ist Wirtschaftswissenschaftler und Gewerkschaftssekretär.