Rezension
Sich nicht regieren lassen. Rosa Luxemburg zu Demokratie und linker Organisierung
18. März 2021 | Bernd Hüttner
Lutz Brangsch und Miriam Pieschke haben ein gelungenes Lesebuch mit wichtigen Texten der linken Politikerin und Theoretikerin Rosa Luxemburg (1871-1919) vorgelegt.
Das Buch enthält Auszüge aus zehn Originaltexten von Luxemburg, die jeweils mit einer kommentierenden Einordnung versehen sind. Die Themen sind die damals klassischen der Programmatik, der Strategie und des Selbstverständnisses und der Aktionsformen der Arbeiterbewegung und ihrer politischen Instrumente (Partei, Gewerkschaften, etc.): Partei, Revolution, Demokratie, Kapitalismus. Über alle wölbt sich die Frage: Wie kann Emanzipation begleitet, erreicht, gestaltet werden und muss dies unter Umständen »organisiert« werden, und wenn ja, wie?
Für Rosa Luxemburg, dies wird in den abschließenden Texten unter anderem bei Alex Demirovic deutlich, ging es nicht um Demokratie oder Sozialismus, sondern um bürgerliche oder sozialistische Demokratie. Eine sozialistische Demokratie, die die Ökonomie grundlegend und permanent umgestaltet. Sie entzieht sich meist einer vereinfachenden, binären Logik, oft plädiert sie für ein »sowohl als auch«, also Reform und Revolution, Lernen und Lehren, Masse und Führung. Als sie in die SPD kommt, ist sie nicht Teil des Apparates, und wird zusehends zur Außenseiterin (Brangsch nennt das Jahr 1908 als den Beginn). Dies ist auch Resultat der Bedingungen jener Jahre: Im Kaiserreich bekommen Abgeordnete erst ab 1906 staatliche Diäten, was auch in der SPD dazu führt, dass nur bestimmte Personengruppen sich wählen lassen können. Weiter dürfen Frauen politischen Parteien erst ab 1908 überhaupt beitreten, im Reichstag sitzen Frauen gar erst ab 1918.
Das Buch ist aus einem Lektürekurs 2017 heraus entstanden, und dies ist ihm positiv anzumerken. Es enthält auch viele lexikalische »Einträge« zu den Biografien und Thesen damals wichtiger AutorInnen und PolitikerInnen der Linken, von Lassalle über Kautsky und Noske bis zu Kerenski.
Das Buch ist vor allem für diejenigen gut geeignet, die sich noch nicht viel mit Luxemburg und ihrem politischen Denken beschäftigt haben. Die sehr ansprechende Gestaltung erhöht eindeutig den Lesegenuss.
Bibliografische Angaben
Lutz Brangsch/ Miriam Pieschke: Sich nicht regieren lassen. Rosa Luxemburg zu Demokratie und linker Organisierung. Ein Lesebuch; Karl Dietz Verlag, Berlin 2021, 206 Seiten, 18 EUR.
Bernd Hüttner ist Politikwissenschaftler. Er lebt und arbeitet in Bremen und ist Referent für Zeitgeschichte und Geschichtspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Webseite: www.bernd-huettner.de.