Verleugnen und Bremsen: Wie positionieren sich rechtspopulistische Parteien in Europa zum Klimawandel?
6. Juni 2019 | Chloé Farand
Die rechten Parteien wollen sich nach den Europawahlen zu einem paneuropäischen Bündnis zusammenschließen. Dieses wird um eine gemeinsame Anti-Einwanderungs- und Anti-Europa-Ideologie herum aufgebaut. Aber die Parteien teilen noch etwas anderes: den Widerstand gegen Klimapolitik.
Unsere ▸Recherche zeigt, dass viele rechte Kandidaten, die bei der Europawahl antraten, die Leugnung der Ergebnisse der Klimawissenschaften sowie eine Anti-Klima-Rhetorik als Kampagnenstrategie betrieben und betreiben. In Deutschland verleugnet die Alternative für Deutschland (AfD) die Erkenntnisse der Klimawissenschaften, um gegen mehr Umweltschutz mobil zu machen; sie betrieb eine Online-Hetzkampagne gegen die 16-jährige schwedische Aktivistin Greta Thunberg. In Belgien glaubt der Vorsitzende der Parti Populaire, Mischaël Modrikamen, dass der Klimawandel »der größte inszenierte Schwachsinn in der Geschichte der Menschheit« sei. Er hat sich mit dem ehemaligen Trump-Chefstrategen und Ex-Breitbart-Chef Steve Bannon und dem italienischen Lega-Politiker Matteo Salvini zusammengetan, um rechtspopulistische Ideologie in ganz Europa zu verbreiten. Und von Estland und Österreich bis Frankreich und den Niederlanden geben rechtsnationalistische Parteien der Leugnung der Klimawissenschaften in den politischen Diskussionen wieder und wieder Raum. Nicht alle Parteien leugnen die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den vom Menschen verursachten Klimawandel, aber viele von ihnen sind zu Plattformen für die Verbreitung solcher Ideen geworden.
Alternative für Deutschland (AfD) - Deutschland
Seit die AfD vor zwei Jahren mit einer anti-muslimischen und einwanderungsfeindlichen Programmatik in den Bundestag einzog, hat sie die Leugnung der Klimawissenschaften als eine neue Kampagnenstrategie entdeckt. Ihr Wahlprogramm leugnet den vom Menschen verursachten Klimawandel und behauptet, dass ein steigender Kohlendioxidausstoß zu steigenden Ernten geführt habe. »Wir bezweifeln aus guten Gründen, dass der Mensch den jüngsten Klimawandel, insbesondere die gegenwärtige Erwärmung, maßgeblich beeinflusst hat oder gar steuern könnte. Klimaschutzpolitik ist daher ein Irrweg«, heißt es im Programm. Damit lehnt die AfD »alle EU-Maßnahmen ab, welche die Reduzierung von CO2-Emissionen mit dem Schutz des Klimas begründen«, einschließlich des Pariser Abkommens, das sie als »eine Verschiebung von Geldmitteln der hochindustrialisierten Länder hin zu unterentwickelten Ländern« bezeichnet. In jüngster Zeit hat die AfD eine gezielte Hetzkampagne gegen die Klimastreik-Bewegung von Schülerinnen und Schülern sowie gegen die 16-jährige schwedische Aktivistin Greta Thunberg betrieben.
Der Klimawandel wurde in den Social-Media-Kanälen der Partei bei ihrer Gründung im Jahr 2013 kaum erwähnt. Aber alleine im vergangenen Jahr hat die AfD den Klimawandel mehr als 900 mal thematisiert, vor allem im Rahmen ihrer Anti-Thunberg-Kampagne. Dies ergab eine gemeinsame Untersuchung des Institute for Strategic Dialogue (ISD) und von Greenpeace's Unearthed.
Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen, Spitzenkandidat bei der Europawahl, hat wiederholt grüne Politik angegriffen und den Klimawandel als »Ersatzreligion aller linksgrünen Weltbeglücker und Bürgerbevormunder« bezeichnet. Meuthen beschuldigte wiederholt diejenigen, die Klimaschutz unterstützen, des »Greta-Hypes«. Auch bezeichnete er sie als »CO2-gläubige Jünger«.
Maximilian Krah, ein weiterer AfD-Europakandidat, nahm Thunberg in seinen Tweets zwischen Dezember 2018 und April 2019 zehn mal ins Visier. Er nannte die von ihr inspirierte Bewegung eine »Massenpsychose« und Folge eines »postkatholischen« Zeitalters. Er verglich den Klimawandel ferner mit der Homöopathie und behauptete, dass die EU letztere bald zur Wissenschaft erklären werde. Anfang des Jahres verteidigte der ebenfalls kandidierende Bergarbeiter Guido Reil die Falschbehauptung der Partei, dass Kohlendioxid gut für Pflanzen sei und keinerlei Auswirkungen auf das Klima habe.
Die Bemühungen der AfD zur Bekämpfung des Klimawandels werden vom Europäischen Institut für Klima und Energie (EIKE) unterstützt, einem in Deutschland ansässigen Verein zur Leugnung der Erkenntnisse der Klimawissenschaften. EIKE veranstaltete eine Klimakonferenz gemeinsam mit dem Heartland Institute, einem US-amerikanischen Think-Tank, der bei der Leugnung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den vom Menschen verursachten Klimawandel an vorderster Front steht. Im Beirat des EIKE sitzt unter anderem Christopher Monckton, ein ehemaliger britischer Politiker und Berater von Margaret Thatcher, der später die britische Rechtsaußen-Partei UKIP unterstützte und zum Klimaleugner wurde.
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) - Österreich
Die Nationalisten der FPÖ nehmen den Klimawandel als eine globalistische Bedrohung wahr. Die Partei ist bestrebt, die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu beenden und den Übergang zu heimischen und lokal verfügbaren Energien wie Solar-, Wind-, Wasserstoff- und Bioenergie zu vollziehen.
Dennoch leugnen Parteimitglieder den vom Menschen verursachten Klimawandel. Der frühere Parteivorsitzende Heinz-Christian Strache, ein Hardliner, der die FPÖ weiter nach rechts gezogen hat, hat wiederholt argumentiert, dass es sich um ein Naturereignis handle, das nicht verhindert werden könne. In einem Interview mit dem ORF behauptete er 2017, dass Grönland früher ein grünes Land mit Weinbergen gewesen sei, und fügte hinzu, dass die globale Erwärmung angesichts zunehmender Sonneneruptionen und Sonnenerwärmung nicht korrigiert werden könne.
Der FPÖ-Spitzenkandidat zur Europawahl, Harald Vilimsky, seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments, stimmte gegen die Ratifizierung des Pariser Abkommens. Im März dieses Jahres legte er einen Änderungsantrag zu Gesetzesvorschlägen zur Einrichtung eines Asyl- und Migrationsfonds vor, in dem alle Erwähnungen der Bekämpfung des Klimawandels, des Pariser Abkommens und der Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung gestrichen waren.
Partij voor de Vrijheid (PVV) - Niederlande
Die PVV ist vor allem für die aggressive Anti-Einwanderungs- und Anti-Islam-Rhetorik ihres Anführers Geert Wilders bekannt. Aber ihre Haltung zum Klimawandel vertritt die Partei nicht minder eifrig. Die PVV argumentiert, dass es keine unabhängigen Beweise dafür gebe, dass Menschen den Klimawandel verursachen, und kritisiert den Weltklimarat IPCC als unfähig, einen solchen Zusammenhang zu beweisen.
Die PVV lehnt Klimaschutzmaßnahmen vor allem aus Kostengründen ab – ein Blog-Post auf ihrer Website behauptet, dass »die CO2-Reduktion für die Niederlande mindestens 30 mal teurer wäre als die Anpassung an einen auftretenden Klimawandel«. Das Ein-Seiten-Programm zu den Europawahlen erwähnt den Klimawandel nicht, verspricht aber »kein Geld mehr für Entwicklung, Windmühlen, Kunst, Innovation oder Rundfunk«.
Laut einem Bericht des Umwelt-Think-Tanks Adelphi haben die PVV-Abgeordneten gegen alle klima- und energiepolitischen Vorschläge der EU gestimmt, die zwischen 2009 und 2018 im Europäischen Parlament vorgelegt wurden, einschließlich der Ratifizierung des Pariser Abkommens.
Marcel de Graaff ist seit 2014 PVV-Abgeordneter und zugleich Co-Vorsitzender der extrem rechten Fraktion »Europa der Nationen und Freiheit«. 2019 kandidierte er 2019. Er hat dazu aufgerufen, die Klima- und Dekarbonisierungspolitik sowie »grüne Lügen« zu beenden. In einer parlamentarischen Anfrage argumentierte sein Kollege Olaf Stuger, ein weiterer Kandidat, dass die Daten zur globalen Erwärmung »stark übertrieben« und »manipuliert« seien. Er forderte die Europäische Kommission auf, die Klimapolitik der EU zu überprüfen.
Rassemblement National - Frankreich
Der Front National, der heute als Rassemblement National firmiert, hat sich bemüht, sein Image als antisemitische und Holocaust-Leugner-Partei loszuwerden, als die er in den 1970er Jahren von Jean-Marie Le Pen gegründet wurde. Unter der Führung von Marine Le Pen hat die Partei daran gearbeitet, ihr Image zu verbessern und die Umwelt zu einem Aspekt nationaler Identität zu machen. Die Partei will erneuerbare Energien entwickeln, um die Abhängigkeit Frankreichs von den Importen fossiler Brennstoffe zu beenden.
Zugleich aber streut sie Zweifel an den menschlichen Ursachen des Klimawandels. In einem Interview erklärte Le Pen 2012: »Ich bin mir nicht sicher, ob menschliche Aktivitäten die Hauptursache für den Klimawandel sind… Es gab klimatische Veränderungen, die nichts mit menschlicher Aktivität zu tun hatten.« Im Jahr 2016 enthielten sich die Europa-Abgeordneten des Front National bei der Abstimmung über die Ratifizierung des Pariser Abkommens der Stimme. Überhaupt haben sie sich wiederholt der Stimme enthalten oder sogar gegen die Politik der Dekarbonisierung und Emissionsminderung gestimmt, so die französische Tageszeitung Le Monde.
Der 23-jährige Jordan Bardella, Spitzenkandidat der Partei, bezeichnete hingegen neben der Einwanderung die ökologischen Herausforderungen als eine der beiden Schlüsselfragen des 21. Jahrhunderts. Er hat sich bisher allerdings direkter Kommentare zum Klimawandel enthalten.
Andere sind da offener. Nicolas Bay, ehemaliger Generalsekretär des Front National und Co-Vorsitzender der rechten Fraktion »Europa der Nationen und der Freiheit«, sagte 2017 in einem Interview, dass es »sehr schwierig ist, zu sagen, ob es langfristig eine Erwärmung gibt, welchen Anteil der Mensch an ihrer Entstehung hat und welche Fähigkeiten wir Menschen besitzen, um Einfluss zu nehmen«. Nach dem Anteil des Menschen an der Entstehung des Klimawandels gefragt, sagte Bay: »Ich denke, es gibt einen Anteil, aber der kann kleiner sein, als manchmal gesagt wird«. Im selben Interview wies Bay die Einschätzung zurück, dass er ein Klimaleugner sei.
In einer Rede vor dem Europäischen Parlament im März 2019 bekräftigte auch die Europaabgeordnete Joëlle Mellin, dass der Klimawandel zwar »ein zentrales Problem« für die Weltbevölkerung sei, die Klimapolitik aber sowohl die menschliche Verantwortung für die Industrialisierung als auch »nachgewiesene natürliche Klimazyklen« berücksichtigen solle. Mellin sagte ferner, dass Aktivisten »aufhören müssen zu behaupten, dass Menschen für alles verantwortlich sind« und »die Idee zurückweisen sollten, dass das Pariser Abkommen eine engelsgleiche Lösung« für die Klimakrise sei. Während des Besuchs Greta Thunbergs im EU-Parlament lobte Mellin diese dafür, dass sie in ihrer Generation das Bewusstsein für den Klimawandel schärfe, sagte aber zugleich, dass sich Aktivisten »nicht nur auf Schockierendes beziehen sollten, das außer Emotionen keine Grundlage habe«.
Lega - Italien
Für die italienische Lega spielt die Frage des Klimawandels kaum eine Rolle. Obwohl das Parteiprogramm den Klimawandel im Zusammenhang mit der Entwicklung erneuerbarer Energien erwähnt und sich für Klimaschutzmaßnahmen einsetzt, ist das Thema laut Adelphi in den offiziellen Mitteilungen der Partei kaum präsent. Die Lega unterstützt einen Energiewendeprozess, Energieeffizienzmaßnahmen und ein Verbot umweltschädlicher Autos bei gleichzeitig niedrigen Energiepreisen als ihrer wichtigsten politischen Priorität. Die Europaabgeordneten der Lega jedoch haben im Europäischen Parlament gegen die Ratifizierung des Pariser Abkommens gestimmt, wobei der Abgeordnete Gianluca Pini das Abkommen als »Abwärtskompromiss« bezeichnete, »der es chinesischen Unternehmen und Entwicklungsländern weiterhin ermöglicht, unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber italienischen Unternehmen zu haben, die vollständig umweltfreundlich produzieren«.
Der stellvertretende italienische Premierminister Matteo Salvini, der nicht zögert, Donald Trump zu unterstützen, lehnte die Anerkennung des Begriffs »Klimamigrant« durch das EU-Parlament entschieden ab und twitterte: »Es ist verrückt, ein ernstes Thema wie das des Klimas zur Legitimation illegaler Einwanderung zu nutzen«. Auch Mara Bizzotto und Angelo Ciocca, Kandidaten der Lega, haben konsequent gegen Dekarbonisierung und Klimapolitik gestimmt – oder sich bei Umwelt- und Klimastimmen einfach enthalten.
Prawo i Sprawiedliwość (PiS) - Polen
Polens PiS ist eine nationalistische Pro-Kohle-Partei, die zuhause die Klimapolitik untergräbt. Auf globaler Ebene ist die Partei jedoch an den UN-Klimaverhandlungen beteiligt und betrachtet das Pariser Abkommen als Erfolg. Polen hat unter einer PiS-Regierung im vergangenen Jahr die UN-Klimaverhandlungen in Katowice ausgerichtet. Damals lobte der PiS-Premierminister Mateusz Morawiecki Polen als ein führendes Land im Klimaschutz, und PiS-Sprecherin und Kandidatin Beata Mazurek warnte, dass »die Klimaschutzmaßnahmen nicht auf später verschoben werden können«.
Zuhause allerdings hat Mazurek deutlich weniger Klimaambitionen. Im Mai dieses Jahres verteidigte sie die kohlefreundliche Position der Partei und erklärte, dass die Beendigung der Abhängigkeit des Landes von Kohle zu »drastischen Erhöhungen der Energiepreise und zu einer Wirtschaftskrise« führen würde. Polen verbraucht die jährlich zweitgrößte Menge an Kohle in der EU, wobei rund 80 Prozent seiner Stromerzeugung aus diesem umweltschädlichsten fossilen Brennstoff stammen.
Die PiS ist immer wieder auch eine scharfe kritische Stimme gegen die Klimapolitik der EU. Sie hat sich wiederholt für unverbindliche Ziele und für Deregulierung ausgesprochen. Im Europäischen Parlament stimmten die PiS-Abgeordneten gegen die meisten klima- und energiepolitischen Vorschläge, so Adelphi.
Einige PiS-Politiker haben sich auch gegen die Klimaforschung eingesetzt. 2018 weiterte sich Tomasz Chruszczow, Polens Verhandlungsführer für Klimafragen, in einem Interview, zu bestätigen, dass er den wissenschaftlichen Konsens unterstützt, demzufolge menschliche Aktivitäten der wichtigste Treiber des Klimawandels sind. 2016 schlug Bildungsministerin Anna Zalewska vor, Theorien zum Klimawandel und zur Evolution aus dem Biologie-Lehrplan zu entfernen. 2014 sagte sie einer Gruppe von Schülern: »Es gab keine globale Erwärmung«.
Der Artikel erschien zuerst in einer längeren englischsprachigen Fassung auf der ▸Webseite von DesmogUK. Wir danken für die Genehmigung zur Ãœbersetzung und Zweitveröffentlichung. Ãœbersetzung: Patrick Schreiner. - Quellenangaben für die hier wiedergegebenen Zitate und Positionen der Rechten finden sich in Form von Links im englischsprachigen Original.
Chloé Farand arbeitet als Communities Editor bei DeSmog UK, einer zu den Themen Energie und Umwelt arbeitenden britischen Medien- und Rechercheeinrichtung.