Zwei aktuelle Wortmeldungen zu Freihandel, SPD und Gewerkschaften
2. Februar 2015 | Patrick Schreiner
Die Gewerkschaften sind und bleiben kritisch gegenüber TTIP und ähnlichen Freihandelsabkommen – auch wenn Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel das Gegenteil nahelegen möchte. So könnte die Schlussfolgerung nach der Lektüre zweier jüngerer Texte lauten: Einem Artikel auf den Nachdenkseiten zu Sigmar Gabriels Mitgliederbrief in Sachen TTIP und einem gemeinsamen Positionspapier von Gewerkschaften und mehreren weiteren Organisationen.
Auf den Nachdenkseiten hat Thorsten Wolff heute ein Schreiben Sigmar Gabriels an die SPD-Mitglieder analysiert (http://www.nachdenkseiten.de/?p=24825). Gabriel versucht in seinem Text offenbar mit nicht ganz sauberen Methoden, um Akzeptanz für seine politische Linie "Pro Freihandel und Pro TTIP" zu werben. Wolffs Fazit:
Gabriel schreibt seinen SPD-Mitgliedern eine E-Mail, die von taktischer Wortwahl und unverbindlichen Inhalten geprägt ist. Sein Ziel ist es, Zustimmung zu Freihandelsabkommen – TTIP, CETA – zu gewinnen. Um dies zu erreichen und um sich an einigen Punkten zugleich nicht zu sehr festzulegen, lässt Gabriel manches weg, was er der Ehrlichkeit und Vollständigkeit halber hätte erwähnen müssen. Er arbeitet mit Halbwahrheiten, Allgemeinplätzen und Auslassungen. Im Ergebnis
- spielt Gabriel die Gefahren herunter, die von Freihandelsabkommen ausgehen, und
- suggeriert er eine Nähe zwischen sich, der SPD und den Gewerkschaften, die in dieser Frage bei Weitem nicht existiert.
Der letztgenannte Punkt verdient eine genauere Betrachtung. In seinem Mitgliederbrief beruft sich Gabriel mehrfach auf das gemeinsame Papier von DGB und Gabriels Ministerium zu TTIP, das später Grundlage für einen Beschluss im Rahmen eines kleinen SPD-Parteitags wurde. Gabriel tut dies offensichtlich, um eine inhaltliche Nähe seiner eigenen Position zu der gewerkschaftlichen Position in dieser Frage zu signalisieren. Dabei schwächt er die Kernaussagen und Forderungen des gemeinsamen Papiers von SPD/BMWi und DGB allerdings mehrfach ab. Er stellt die dort formulierten Anforderungen und Positionen als weniger weitgehend dar, als sie sind, wie Wolff ausführt:
Der Verweis auf das gemeinsame Papier seines Ministeriums (und indirekt der SPD) mit dem DGB soll den Eindruck erwecken, dass SPD und DGB in der Frage der Freihandelsabkommen gemeinsame Positionen vertreten. Allerdings bleibt Gabriels Bezug auf das Papier oberflächlich, selektiv und unvollständig, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll. Nur durch diese selektive und unvollständige Wiedergabe gelingt es Gabriel, den Eindruck gemeinsamer Positionen beider Organisationen zu wecken.
Die Differenzen zwischen Gabriels Position und gewerkschaftlichen Positionen scheinen in der Tat beträchtlich zu sein. Dies macht nicht zuletzt ein gemeinsames Positionspapier (http://www.dgb.de/-/eER) zu TTIP deutlich, das mehrere Organisationen und Gewerkschaften schon am 30. Januar veröffentlicht haben. Beteiligt waren daran:
- Akademie der Künste
- BUND
- Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
- Deutscher Kulturrat
- Deutscher Naturschutzring
- Deutscher Städtetag
- IG Metall
- Transparency International
- Verbraucherzentrale Bundesverband
- Ver.di
Die Kritik der genannten Gewerkschaften und freihandelskritischen Organisationen zielt auf die drohende Senkung von Standards, auf Gefahren durch eine mögliche transatlantische regulatorische Kooperation, auf Investorenschutz und Investor-Staat-Schiedsgerichte, auf die negativen Folgen einer allgemeinen Liberalisierung von Dienstleistungen sowie auf negative Auswirkungen für Klimaschutz und Erneuerbare Energien. Sie schreiben:
Freihandel muss den Menschen dienen und nicht anders herum. Wir haben die Sorge, dass die laufenden Verhandlungen und deren Ergebnisse eine Entwicklung in Gang setzen, die den „Wert“ des Freihandels über die Werte einer aus europäischer Sicht erstrebenswerten ökologisch-sozialen Marktwirtschaft (z.B. Solidarität und Subsidiarität, informationelle Selbstbestimmung, Generationengerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung) setzt.
Man könnte nach der Lektüre beider Texte Folgendes als Quintessenz festhalten: Sigmar Gabriel versucht durch argumentative bzw. sprachliche Tricks und Kniffe, in Sachen Freihandel/TTIP/CETA eine inhaltliche Nähe zwischen den Positionen von SPD/BMWi und DGB zu signalisieren. Diese Nähe gibt es aber bei diesem Thema nicht, wie DGB und Gewerkschaften in dem gemeinsamen Papier fast zeitgleich deutlich machten.
Patrick Schreiner ist Gewerkschafter und Publizist aus Bielefeld/Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Wirtschaftspolitik, Verteilung, Neoliberalismus und Politische Theorie.